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Die schottische Lady

Die schottische Lady

Titel: Die schottische Lady
Autoren: Heather Graham
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schlafen alle vernünftigen Leute.«
    Als sie zum Torbogen eilte, fragte er sich, wie viele seiner Ahnen in diesem Schlafgemach ihre Geliebten empfangen hatten. Entlang der Balkonmauer führte ein überdachter Gang zu einer Geheimtreppe, über die man den Wald im Süden des Schlosses erreichte. Diesen Fluchtweg hatte Prince Charlie einmal benutzt, um seinen Verfolgern zu entrinnen. Und Shawna wusste davon, weil David sie eingeweiht hatte.
    Er erhob sich, nahm seinen samtenen Morgenmantel von einem Haken neben der Tür und schlüpfte hinein. Nachdem Shawna halbnackt in sein Zimmer gekommen war, brauchte er sich für eine Begegnung im Stall nicht formell zu kleiden. Wollte sie ihn verführen und barmherzig stimmen? Es wäre besser, sie würde mich offen und ehrlich bitten, auf eine Anklage gegen ihren Vetter zu verzichten, dachte er. Aber wenn sie glaubt, sie könnte mich um den Finger wickeln - soll sie's doch versuchen. Danach werde ich ihr erklären, ich hätte gar nicht beabsichtigt, den Jungen vor Gericht zu bringen.
    Der Stall lag außerhalb der Festungsmauern, ein großes, langgestrecktes Gebäude mit Strohdach. An einem Ende befand sich eine Kammer, wo früher der Stallmeister geschlafen hatte. Ein hölzernes Bett stand in der rechten hinteren Ecke, in der linken wurde Heu gelagert, und ein Schreibtisch nahm fast den ganzen restlichen Raum ein.
    Geisterhaft tanzte das Licht einer kleinen Laterne über die Wände, als David eintrat, und ließ Shawnas seidenes Nachthemd schimmern. Sie erwartete ihn am Schreibtisch. Offenbar hatte sie das Stelldichein geplant. Auf einem Silbertablett standen zwei gefüllte Weinkelche. Sie bot ihm einen an, und er ergriff ihn. Dann wartete er, ohne sie auch nur mit einem einzigen Wort zu ermutigen.
    »Ein sehr guter Wein«, bemerkte sie und wirkte ärgerlich, aber fest entschlossen, ihre wahren Gefühle zu verbergen.
    »Ja, gewiss. Komm zur Sache, Mädchen. Was willst du? Warum hast du mich mitten in der Nacht geweckt?«
    »Das weißt du doch. Du darfst Alistair nicht anzeigen.«
    »Warum nicht? Er ist ein diebischer kleiner Schurke, und man muss ihm eine Lektion erteilen.«
    Um ihre Nerven zu beruhigen, nahm sie einen großen Schluck, und ihr innerer Kampf rührte David. Wäre er nicht so verärgert gewesen, hätte er sie in die Arme genommen un d getröstet, denn sie war wunderschön und eine faszinierende Verlockung. Leichtsinnig wie Alistair, stolz auf den MacGinnis-Titel, ihrer Familie treu ergeben, zeigte sie ihr gutes Herz nur in der Liebe zu Kindern und hilflosen kleinen Tieren. Aber es war gefährlich, ihren Reizen zu erliegen. Damit würde man sie nur in ihrem Machtgefühl bestätigen und zu tollkühnen Taten anspornen.
    Sie stellte ihr Glas ab, hielt ihm seines an die Lippen und drängte ihn zu trinken. Nach dem ersten Schluck runzelte er die Stirn. Der schwere, fruchtige Wein schmeckte sonderbar und stammte nicht aus seinem Keller.
    Hatte sie den Weinkeller des MacGinnis-Schlosses durchsucht, um diesen starken Burgunder aufzuspüren? Falls sie ihn betrunken machen wollte, würde ihr das nicht so leicht gelingen. Wie interessant ...
    Normalerweise verführten die Männer süße junge Mädchen, indem sie ihnen berauschende Getränke kredenzten. Oder wollte Shawna ihre eigenen Sinne betäuben? Jedenfalls schüttete sie den Wein wie Wasser in sich hinein.
    Dann nahm sie ihm das Glas aus der Hand, strich ihm über die Wange und den Hals. Schon seit langer Zeit empfand er sie als schön und begehrenswert, aber er hatte nicht erwartet, dass ihre Berührung ein so wildes Feuer in ihm entfachen konnte. Er musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um diese heiße Begierde zu verbergen.
    »Du darfst Alistair nicht vor Gericht bringen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil er jung und dumm ist«, flüsterte sie.
    »Das ist der einzige Grund? Und was bekäme ich für meine Großmut?«
    »Darüber will ich mit dir sprechen, und deshalb habe ich dich hierhergebeten.«
    Ein hässlicher Verdacht bewog ihn, hinter Shawnas Rücken zu greifen und die beiden Kelche zu vertauschen, die auf dem Tisch standen. Dann gab er ihr das Glas, aus dem er zuvor getrunken hatte. »Ah, ich verstehe. Also schließen wir ein Abkommen. Ich gebe dir was, du gibst mir was, und wir besiegeln das Geschäft mit Burgunder. «
    »Musst du dich so widerwärtig benehmen?«
    »Musst du mir diese alberne Heuchelei zumuten? Du bist halbnackt in mein Zimmer gekommen, und du möchtest mit mir verhandeln. Fang endlich an!«
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