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Die schottische Braut

Die schottische Braut

Titel: Die schottische Braut
Autoren: Kinley Macgregor
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erhob der König sich absichtlich langsam, um ihn nicht zu erschrecken, und verließ das Bett.
    Der Junge sah sich besorgt um. »Sie werden mich holen kommen.«
    »Wer?«
    »Meine Herren. Sie finden mich jedes Mal, wenn ich fliehe. Sie finden mich und dann ...«
    Henry sah die Furcht auf dem Gesicht des Kindes, das erneut zu durchleben schien, was auch immer ihm dann gewöhnlich angetan worden war. Der Junge begann heftiger zu atmen.
    »Ich muss dich umbringen«, erklärte er und stand auf. Erneut zückte er seinen Dolch und ging auf Henry zu. »Wenn ich das nicht tue, kommen sie mich holen.«
    Henry packte den Jungen am Handgelenk, bevor er ihm die Klinge in die Brust stoßen konnte. »Ich kann dich vor ihnen beschützen.«
    »Niemand beschützt mich. Ich bin ganz auf mich allein gestellt.«
    Sie rangen miteinander um den Besitz der Waffe.
    Jemand schlug die Zeltklappe zurück. »Majestät, wir haben ...« Die Stimme des Leibwächters erstarb, als er seinen König mit dem Jungen kämpfen sah.
    Sofort rief er nach Verstärkung.
    Der Junge ließ von dem Dolch ab, als die Wachen in das Zelt strömten. Henry beobachtete fasziniert, wie das Kind wie ein in die Ecke gedrängter Löwe kämpfte. Hätte der Junge auch nur ein bisschen Fleisch auf den Knochen, ein wenig Kraft in dem ausgezehrten Körper, er hätte mit Leichtigkeit die zwölf Mann starke Wache niedergerungen. Da dem aber nicht so war, hatten die Männer ihn bald überwältigt.
    Trotzdem wehrte der Junge sich weiter so rasend, dass fünf erwachsene Männer nötig waren, ihn am Boden zu halten.
    »Lasst ihn los.«
    Alle zwölf Wachen schauten ihren König an, als hätte er den Verstand verloren.
    »Majestät?«, erkundigte sich der Hauptmann der Leibwache zögernd.
    »Nun macht schon.«
    Erst als sie ihn losließen, merkte Henry, dass der Arm des Jungen während des Kampfes gebrochen worden war. Seine Nase blutete, und er hatte einen Schnitt auf der Stirn. Trotzdem gab er keinen Schmerzenslaut von sich, als er aufstand. Er hielt sich nur den verletzten Arm, während er sie argwöhnisch musterte, als erwarte er von ihnen nur das Schlimmste.
    Das Kind bat und bettelte nicht um Gnade, und das verriet Henry mehr als in tausend Worten, welche Schrecken es durchlitten hatte. Der Junge stand ungebrochen und mit trotzig gerecktem Kinn vor ihnen.
    Seine Wachen kamen ebenfalls auf die Füße, und der Hauptmann stellte sich vor Henry, allerdings ohne den jugendlichen Angreifer seines Königs aus den Augen zu lassen. »Wir haben zwei Sarazenen am Rande des Lagers gefunden, Sire. Ich bin sicher, dass er zu ihnen gehört.«
    »Davon sind wir ebenfalls überzeugt«, erwiderte Henry. »Junge, wie heißt du?«
    Der Angesprochene senkte den Blick zu Boden. Als er antwortete, waren seine Worte kaum zu verstehen. »Meine Herren nennen mich Kurt.«
    Henry runzelte die Stirn, als er das fremdländische Wort hörte, dessen Bedeutung er schon in der ersten Woche hier gelernt hatte. Es bedeutete so viel wie Wurm. »Wie ist dein Taufname?«
    »Als ich dem Earl of Ravenswood diente, rief man mich Sin.«
    Bei dem Namen Ravenswood atmete Henry scharf ein, denn nun wurde ihm klar, um wen es sich bei dem Kind handelte. »Du bist MacAllisters Sohn, nicht wahr?«
    Der Blick des Jungen wurde sofort wieder leer. »Ich bin niemandes Sohn.«
    Als Henry angeboten hatte, dass dieser Junge nach Hause zurückkehren könnte, hatte der alte Laird etwas Ähnliches geantwortet. Sin war der einzige unter den schottischen Jungen, dessen Vater ihm die Heimkehr verwehrt hatte.
    Da er nicht gewusst hatte, was er sonst tun sollte, und zudem damals wenig Zeit gewesen war, sich mit der Angelegenheit zu befassen, hatte Henry den Jungen unter Harold of Ravenswoods Obhut gelassen.
    Was offensichtlich ein Fehler gewesen war.
    Es geschah nicht oft, dass Henry Schuldgefühle empfand, doch nun verspürte er sie. Sie schnürten ihm das Herz ab und ätzten sich in seine Seele. Dieser arme, unerwünschte Junge war sein Mündel gewesen, und er hatte ihn einem Schicksal überlassen, das kein Kind kennen sollte.
    »Hol einen Bader«, trug Henry dem Hauptmann auf. »Und bring Essen und Wein für den Jungen.«
    Sin schaute bei diesem Auftrag erstaunt auf. Ein Teil von ihm rechnete immer noch damit, dass der König ihn hinrichten oder wenigstens schlagen lassen würde. Das war das Einzige, wozu er taugte - und zum Töten.
    »Sieh nicht so überrascht aus, Junge«, sagte Henry. »Morgen werden wir dich nach Hause schaffen
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