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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
Autoren: Adam Soboczynski
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zweitens gar nicht erst zu glauben, dass diese horrende
     Summe irgendjemand in diesem Haus hier begleichen werde.
    Herr Walter konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass Herr Strass in Rom mit seiner wunderbaren Verhandlungskunst
     ausgesprochen vorteilhafte Kaufverträge abgeschlossen hatte! Der Chef ist nun insgeheim derart begeistert, dass er finster
     entschlossen ist, Herrn Strass nicht nur eine Festanstellung anzubieten, sondern ihn zu einem seiner engsten Berater zu machen.
    |18| Unfreundliche Mails werden so gut wie immer weitergeleitet. In der Regel an den Vorgesetzten. So auch in diesem Fall. Bereits
     wenige Minuten später eilt der Chef, ein untersetzter Herr um die vierzig, mit erhitztem Gesicht auf Herrn Walter zu: Ob er
     wahnsinnig geworden sei? Wegen der paar Euro den lieben Herrn Strass so zu verärgern! Wieso er glaube, sich hier derart aufspielen
     zu dürfen? Ob er, der Chef, in diesem Laden aber auch alles selbst machen müsse?
    Herr Walter, unruhig auf seinem Bürosessel wippend, erblasst. Was er denn falsch gemacht habe? Der Chef aber, mit einer wegwerfenden
     Handbewegung, antwortet nicht, schüttelt nur den Kopf und verlässt, mit allen Anzeichen der Verbitterung, sein Büro, nicht
     ohne noch kräftig die Tür hinter sich zuzuschlagen.
    Wie schlecht Herr Walter in den nächsten Tagen schlief! Derart sich die Gunst des Chefs verspielt zu haben, erschien ihm eine
     große Last. Denn die Maklerei war ihm, seitdem seine Tochter aus dem Haus war und seine Frau nicht mehr lebte, das Lebenselixier
     in einem ansonsten nur von wenigen Freuden erfüllten Dasein. Wie die Zeiten sich doch geändert haben, dachte Herr Walter oft
     in jenen Nächten, sich mühsam von einer Seite auf die andere wälzend. Früher, als der Alte noch im Betrieb war, der Vater
     seines derzeitigen Chefs, war die Welt noch in Ordnung gewesen. Kein einfacher Charakter auch er, gewiss, mit einer Neigung
     zu heimlichem Alkoholgenuss, daher oft launisch, aber damals galt noch: ein Mann, ein Wort. Niemals hätte der Alte in derart
     rabulistischer |19| Weise die Tatsachen verdreht (»Die paar Euro!«), niemals hätte er ihn so furchtbar gedemütigt.
    Man erkennt leicht, dass Herrn Walter zwei grobe Fehler unterlaufen sind. Nicht nur, dass er es versäumt hat, die Möglichkeit
     in Betracht zu ziehen, seinem Chef die Misslichkeit einer überhöhten Rechnung zunächst diskret mitzuteilen. Auch hat er, da
     er seine Affekte nicht zu zügeln vermochte, höchst voreilig zurückgeschrieben. Sicherlich schwang in seiner Mail eine grundsätzliche
     Abneigung Herrn Strass gegenüber mit, den er vor einigen Monaten bei einem Abendempfang der städtischen Maklervereinigung
     kennengelernt hatte. Der junge, groß gewachsene Herr Strass war an diesem Abend sehr eloquent gewesen, man hörte ihn gerne
     raumgreifend Anekdoten erzählen, später, als sich die Gesellschaft bereits in Auflösung befand, unterhielt sich Herr Strass,
     wie Herr Walter nicht ohne Beunruhigung registrierte, noch mit seinem Chef vertraulich am Tresen.
    Die E-Mail von Herrn Strass war eine durchschaubare Falle, die Herr Walter leicht hätte umgehen können. Denn immer gilt der
     Grundsatz: Ein Satz, der gesagt oder geschrieben wurde, lässt sich nie mehr zurücknehmen, wer indes zunächst schweigt, um
     seine Gefühlsregungen zu dämpfen, hält sich Optionen offen. Hätte Herr Walter einige Minuten lang überlegt, seine Antwort
     wäre jedenfalls anders ausgefallen. In etwa so: »Lieber Herr Strass, haben Sie ganz vielen Dank für Ihre Mail. Ich hoffe,
     dass Sie neben der Arbeit auch einige vergnügliche Stunden in Rom haben verbringen können! Bei der Durchsicht Ihrer Kostenaufstellung
     ist mir |20| aufgefallen, dass die Spesen höher ausgefallen sind, als zunächst vereinbart. Wenn Sie mich hierüber kurz aufklären könnten,
     wäre ich Ihnen sehr verbunden. Mit herzlichen Grüßen und in der Hoffnung, dass wir uns bald einmal wieder treffen, Ihr Heinrich
     Walter.«
    Nun hätte Herr Strass sich erklären müssen, hätte ziemlich wahrscheinlich Herrn Walter geschrieben, dass ein Zwei-Sterne-Hotel
     sich just an diesen beiden Tagen der Reise nicht hatte auftreiben lassen können. Herr Walter hätte daraufhin Gelegenheit gehabt,
     durch eine kleine Recherche herauszufinden, dass es an diesen beiden Tagen sehr wohl, und zwar mit Leichtigkeit, möglich gewesen
     wäre, eine günstige Unterkunft zu finden. Das hätte er Herrn Strass mit großer Höflichkeit
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