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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen
Autoren: Adam Soboczynski
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Möglichkeiten.
     Zusammen waren sie ja nie richtig gewesen, man empfand sich damals, in den jungen Jahren hoher Ansprüche, als zu verschieden.
     So war es nur, aber das immerhin, eine aus Lust an Abwechslung herbeigeführte Veredelung des Alltags. Und die beiden beschlossen,
     ihre Affäre |30| völlig komplikationsfrei in eine Freundschaft zu verwandeln, als Maria sich in jemanden verliebt hatte. »Jetzt bin ich richtig
     verliebt«, sagte sie stolz.
    Und während Andreas sich danach immer tiefer in seine Arbeit vergrub, die er sich bis heute durch eine Stelle als wissenschaftliche
     Hilfskraft am Historischen Institut finanziert, machte Maria nach ihrem Studium mit zäher Leidenschaft Karriere. Mit Ende
     zwanzig Assistenzärztin! Da konnte niemand meckern, auch ihre Eltern nicht, die ihr daraufhin einen VW Polo schenkten, was
     Maria ein bisschen albern fand, den hätte sie sich ja jetzt per Ratenzahlung selbst anschaffen können.
    Warum wir das alles erzählen? Weil Andreas Maria heimlich doch mehr begehrt, als dies in einer Freundschaft gemeinhin üblich
     ist. Die nervös zitternden Augenlider im Morgengrauen haben sich ihm eingebrannt. Seit sie gemeinsam beschlossen hatten, sich
     alle über eine Freundschaft hinausgehenden Zärtlichkeiten zu ersparen, begehrt er nichts anderes als eben jene darüber hinausgehenden
     Zärtlichkeiten. Lange schon wartet Andreas auf eine passende Gelegenheit, die Beziehung in ihren leidenschaftlicheren Ursprungszustand
     zurückzuführen.
    Und er ahnt sehr richtig, dass es heute soweit sein könnte. Denn Maria ist verwirrt. Die beste aller Voraussetzungen. Sie
     erzählt stockend, gestikulierend, langsam das Ufer abschreitend, erzählt von ihrem Freund, auch er Arzt (aber in einer anderen
     Klinik), so treu sei er, so sorgend, er hege einen Kinderwunsch, sei zärtlich, er koche gerne. Sie liebe ihn. Irgendwie jedenfalls.
    |31| Das wisse er doch, sagt Andreas. Und das klinge doch wunderbar! Wo denn das Problem sei?
    »Das Problem?« Maria lacht verzweifelt auf. Das Problem sei der Pfleger!
    »Der Pfleger? Welcher Pfleger?«
    »Ist das peinlich!«, sagt Maria, greift sich an die Schläfen, errötet. Und erzählt dann die ganze heillose Verwicklung. Anfangs
     waren da nur scheue Blicke und leichte Berührungen, der Pfleger reichte ihr bei der einen oder anderen Behandlung eines Patienten
     medizinische Gerätschaften. Es folgten: Erstens das unvermeidliche Aufeinandertreffen in der Kantine, wo man gemeinsam ein
     Wiener Schnitzel mit Bratkartoffeln aß, zweitens das kleine, noch völlig harmlose Bier nach einer gemeinsamen Schicht, drittens
     aber die jähe Rückkehr längst vergangener Aufwallungen der Jugend, was mit dem hektischen Aufsuchen diverser Abstellräume
     der Klinik einherging. In irgendwelchen Pausen, die man sich gemeinsam gestattete.
    Was solle sie nur tun? Ihrem Freund alles beichten, die Affäre beenden? Ihren Freund verlassen? Ach, alles sei so ein Durcheinander,
     hier die Sicherheit, da die große Aufregung, sie könne sich kaum noch auf die filigranen Schnitte bei schwierigen Eingriffen
     konzentrieren.
    Nun könnte man leicht auf den Gedanken kommen, dass Andreas, bei gleich zwei männlichen Konkurrenten, erst recht keine Chance
     mehr habe. Das Gegenteil ist wahr. Andreas vermutet nämlich völlig zu Recht, dass sowohl ihr Freund als auch der Pfleger sich
     bereits zur Genüge bekämpften. |32| Ohne dass sie dies voneinander wüssten: Der Pfleger ist Maria der Beweis für die Langeweile ihres Freundes, ihr Freund der
     Beweis für das unsolide Leben des Pflegers. Dieser verdient nicht nur recht wenig, allein ihn auf irgendeine Party mitzunehmen
     wäre schon undenkbar. Da würde sie sich schämen, für die Schlichtheit seiner Gedanken.
    Das aber, gleichwohl es denkend, sagt Andreas nicht. Er hört Maria aufmerksam zu, blickt nachdenklich, raucht eine Zigarette,
     fragt zwischendurch nach, wenn er das eine oder andere präzisiert wissen möchte, und treibt dergestalt den Konflikt mit aller
     Schärfe ans Licht. Keinesfalls begeht er den Fehler, einen der Konkurrenten oder beide zu kritisieren. Im Gegenteil: Er lobt
     einerseits, wenn auch verhalten, die schöne Leidenschaft der Affäre (»Wie aufregend!«), andererseits die solide Ruhe ihres
     Partners (»So ein angenehmer Mensch!«). Und fordert damit den Widerspruch seiner guten alten Freundin heraus, die ihre träge
     sich hinziehenden Sonntage mit ihrem Freund beklagt (»Wir spielen neuerdings Karten,
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