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Die Schöne und der Tod (1)

Die Schöne und der Tod (1)

Titel: Die Schöne und der Tod (1)
Autoren: Bernhard Aichner
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gräbt. Dann hört er ihre Stimme und schaut nach oben. Wie Emma plötzlich vor ihnen steht, wie er einfach weiterschaufelt, wie er sich wünscht, dass nichts von all dem passiert.
    – Max.
    – Ja.
    – Danke, dass du das machst.
    – Das ist mein Job. Das da ist Dennis, er hilft mir.
    – Freut mich.
    – Wir können später reden, wenn ich hier fertig bin. Wird nicht lange dauern.
    – Warum grabt ihr mit der Hand, hast du keinen Bagger?
    – Zu eng hier für einen Bagger, auf diesem Friedhof wird gegraben, war immer schon so.
    – Habt ihr überhaupt noch Platz hier?
    – Kaum.
    – Was ist mit dem neuen Friedhof?
    – Was weiß ich.
    – Max?
    – Was?
    – Sie war meine Schwester.
    – Du wirst dich verkühlen, wenn du noch länger hier rumstehst.
    – Ich müsste trauriger sein, Max.
    – Müsstest du?
    – Sie ist tot.
    – Mein Beileid, Emma. Aber lass uns später reden.
    – Ich wollte ihr helfen.
    – Ich weiß. Aber wir müssen jetzt weitermachen.
    – Sie wollte meine Hilfe nicht.
    – Hast du August schon getroffen?
    – Ich gehe jetzt zu ihm.
    – Emma?
    – Ja?
    – Du weißt, dass es mir immer noch leid tut.
    – Ja.
    – Ich konnte nicht anders.
    – Ich weiß.
    – Das Grab ist bald fertig. Wenn du von August zurückkommst, habe ich Zeit.
    – Es gibt da jemanden in London. Er will mich heiraten.
    – Oh. Ich freue mich für dich.
    – Er will mit mir zusammen sein.
    – Ich sagte doch, ich freue mich für dich.
    – Klingt aber anders.
    – Ist aber so.
    – Er sagt, er würde alles tun, um mit mir zusammen sein zu können.
    – Schön für dich.
    – So sollte es sein, oder? Wenn man eine Beziehung hat.
    – Das perfekte Glück also.
    – Ja.
    – Wie gesagt, Emma.
    – Du freust dich für mich.
    – So oft du willst.
    – Lassen wir das.
    – Hast du mit dem Bestatter gesprochen? Den Sarg ausgesucht und das alles?
    – Sie ist schon dort. August kümmert sich um alles.
    – Wie geht es ihm?
    – Er klingt nicht gut. Er hat geweint am Telefon.
    – Er hat geweint?
    – Ja. Seine Frau ist tot, Max. Sie hat sich umgebracht. Natürlich weint er.
    – Kann ich mir gar nicht vorstellen, wie das ist, wenn der weint. Passt nicht zu ihm.
    – Kennst du ihn gut?
    – Er ist mit in der Saunarunde. Da hinten im Garten, finnische Blocksauna, selbst gebaut.
    – Was ist das?
    – Was meinst du?
    – Das da.
    – Das ist deine Mutter.
    – Warum liegt sie da einfach so herum?
    – Sie wohnt jetzt hier, Emma. Das ist euer Familiengrab, schon vergessen?
    – Das sind Knochen, Max.
    – Das bleibt von einem übrig.
    – Was machst du mit ihr?
    – Nichts.
    – Lass sie bitte da unten.
    – Ich bemühe mich. Und alles, was von ihr mit nach oben kommt, geht auch wieder hinunter, versprochen. Sie bleibt an ihrem Platz.
    – Ist das ihre Hüfte?
    – Ja.
    – Kommst du mit?
    – Wohin?
    – Zu August. Bitte.
    Wie sie ihn ansieht. Wie ihre Augen darum bitten, ihre Stimme, so weich. Er bittet Dennis, das Grab fertig zu machen, es abzudecken, aufzuräumen. Mit einem Schulterzucken lässt er ihn zurück, begleitet Emma, die Treppe nach oben. Er duscht sich, sie wartet in der Küche auf ihn. Wie das Wasser auf ihn fällt.
    Max denkt an ihre letzte Begegnung. Wie er sie besucht hat in Wien, wie hilflos sie versucht haben, Freunde zu sein. Wie er zu ihr kam, wie sie ihm die Tür aufmachte, wie schon im ersten Moment alles wieder da war, die Gier, die Lust auf sie, ihre Schönheit, die ihm weh tat. Damals, genauso wie jetzt, ihre Stimme, alles an ihr, das gut war und das ihn zwang zu gehen. Wie sie vor ihm stand vor fünf Jahren und ihn verrückt machte, wie sie sein Leben wieder durcheinanderbrachte für einige Stunden. In ihrer kleinen Wohnung, kurz bevor sie nach England ging. Er hört sie reden in seinem Kopf.
    – Sie heißt jetzt Horak.
    – Max, bitte nicht.
    – Was denn?
    – Nicht über Marga.
    – Hast du die Sendung gesehen?
    – Ja. Das war peinlich, sehr peinlich. Wie sie ausgesucht werden, vorgeführt, das ist wie am Viehmarkt.
    – Du warst schon mal auf einem Viehmarkt?
    – Das ist das Letzte, Max. Wie sie sich erniedrigen, um diese Bauern buhlen.
    – Jeder kann machen, was er will, auch deine Schwester.
    – Du verstehst das nicht.
    – Sie hat es wieder auf die Titelblätter geschafft.
    – Schön.
    – Und?
    – Was und?
    – Bist du nicht stolz auf sie? Gönnst du es ihr nicht? Immerhin hat sie versucht sich umzubringen, immerhin war sie ganz unten, keiner hat sich mehr nach ihr umgedreht. Jetzt ist
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