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Die schöne Teufelin

Die schöne Teufelin

Titel: Die schöne Teufelin
Autoren: Celeste Bradley
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weder besonders mochte noch benötigte. Er zog lieber Stiefel an als Strümpfe und Halbschuhe, obgleich er überaus ansehnliche Waden sein Eigen nannte.
    Ja, er entsprach von Kopf bis Fuß dem Bild eines flanierenden Gentleman. Es war alles am richtigen Platz, und kein
einziger Hinweis auf seine wahre Herkunft erinnerte seine Mitmenschen daran, dass er nicht – nicht wirklich – dazugehörte.
    Aber natürlich wussten alle Bescheid. Vor langer Zeit hatte er beschlossen, dass es besser war, ihnen von Anfang an reinen Wein einzuschenken und dann wie ein Besessener daran zu arbeiten, dass sie es vergaßen.
    Warum?
    Um ganz ehrlich zu sein, wusste er das selbst nicht mehr. Von Geburt an war er dazu erzogen worden, seinen Platz in der besseren Gesellschaft zu finden. Er war als kleines Kind bereits unterrichtet worden, seine Gouvernanten und Lehrer stammten aus dem verarmten Landadel, und seine Eltern scheuten keine Ausgabe, ihm Reiten und Schießen beibringen zu lassen und all die anderen Amüsements einer Klasse, die kaum etwas anderes tat, als sich mit Müßiggang die Zeit zu vertreiben.
    Als er nun sein eigenes Spiegelbild betrachtete, musste Ethan zugeben, dass sein Vater damit verdammt erfolgreich gewesen war. Ethan Damont, Sohn eines Textilfabrikanten und einer Schneiderin, sah von Kopf bis Fuß aus wie der Aristokrat, den sein Vater aus ihm hatte machen wollen.
    Natürlich hatte sein Vater damit bezwecken wollen, die ganze Familie gesellschaftlich voranzubringen. Zu dumm nur, dass der alte Mann nicht bedacht hatte, dass sein Sohn als echter Aristokrat – also unnütz und faul bis auf die Knochen – wenig oder vielmehr kein Interesse an der Gestaltung oder Herstellung von Drillich haben würde.
    Oder daran, den Fußschemel für den gesellschaftlichen Aufstieg seines Vaters abzugeben.
    Der Alte hatte das nicht gut verkraftet. Vor neun Jahren
hatte Damont senior seinen einzigen Sohn aus dem Haus geworfen und ihn dabei als nutzlos und unerträglich beschimpft. Ethan erinnerte sich gut daran, was für ein teuflischer Säufer er mit zwanzig gewesen war, und musste zugeben, dass sein Vater mit seiner damaligen Einschätzung recht gehabt hatte.
    Nun, heutzutage käme man niemals auf diesen Gedanken. Ein feines Haus in Mayfair, Bedienstete, die den Eindruck erweckten, als würden sie tatsächlich eine Weile in Anstellung bleiben, und jedwedes Anzeichen vornehmen Müßiggangs – im Augenblick zumindest war der unnütze und unerträgliche Teil seiner selbst mit bloßem Auge nicht zu erkennen.
    Zwei Damen, gefolgt von einem schwer beladenen Diener, gingen hinter seinem Spiegelbild vorüber. Zwei Damenhüte drehten sich in seine Richtung und wandten sich dann wieder einander zu. Schockiertes Kichern drang unter beiden hervor. Ethan wurde sich gewahr, dass er gedankenverloren in das Schaufenster eines Ladens starrte, der Damenunterwäsche feilbot.
    Ethan lachte glucksend über seinen eigenen Fauxpas und wollte gerade weitergehen, als eine andere Bewegung im Spiegel der Schaufensterscheibe seine Aufmerksamkeit erregte. Ein kleiner, zerlumpter Mann schlurfte von ihm fort die Straße hinunter.
    Ethan blinzelte, dann schüttelte er den Kopf. Die Stadt war voll von Leuten, die auf der Straße lebten. Viele davon waren klein, und nicht wenige zerlumpt. Es gab keinen Grund anzunehmen …
    Er wandte sich ab und setzte seinen Spaziergang fort. Sein flüchtiger Blick streifte dabei die hübschen Sachen, die diskret
in der Auslage drapiert waren. Stoffmuster und Spitze wurden hier ausgestellt, als würden diese Materialien erst dann unaussprechlich – und unsichtbar -, wenn sie zugeschnitten und vernäht waren.
    Spitze über cremeweißem Satin ließ Ethan an das Abenteuer der vergangen Nacht denken. Während er weiterging, erlaubte er sich für einen Augenblick, sich an der Erinnerung an zwei hübsche, lange Beine zu erwärmen …
    Er hatte ihr nicht ins Gesicht gesehen. Aber das war wahrscheinlich nur gut so. Nicht viele Gesichter waren in der Lage, mit diesen seidigen Schenkeln mitzuhalten. Eine Frau müsste geradezu atemberaubend schön sein, um diesen Beinen gerecht zu werden. Ihr Haar müsste die Farbe von Gold haben – oder rabenschwarz sein wie das von Rose Tremayne. Außergewöhnliches Haar.
    Die Dame letzte Nacht hatte jede Menge Haar, so viel stand fest, aber Ethan konnte sich nicht genau an dessen Farbe erinnern. Es war nicht goldblond gewesen, aber auch nicht dunkel. Zweifellos irgendetwas dazwischen. Dazwischen und
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