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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin
Autoren: A MCCABE
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spannende Berichte in Umlauf, die selbst die ansonsten recht sachliche Julietta fesseln konnten. Bei jeder Gelegenheit erzählte man sich immer wieder die Geschichte von Il leone, dem kühnen Kapitän, der die bösen Piraten vernichtet und die ehrwürdige Schifffahrt der Seren issima gerettet habe. Auch Bianca, die letzte Woche die triumphale Ankunft des Kapitäns beobachtet hatte, sprach von nichts anderem mehr.
    „Ich würde ein Heldengedicht über Il leone schreiben, Bianca, wenn ich die Gabe dazu hätte“, scherzte Julietta, während sie vom Hocker stieg und sich die Hände an der Leinenschürze abwischte, die sie über ihrem schwarz-weißen Kleid trug. „Damit könnten wir ein Vermögen verdienen. Die Troubadoure würden sich darum reißen, sie würden wetteifern, es mit Musik zu untermalen und in den großen Sälen Venedigs vorzutragen!“
    „Ach Madonna, Ihr besitzt doch bereits ein Vermögen“,warf Bianca lachend ein, überrascht von der ansteckenden Fröhlichkeit ihrer sonst so ernsthaften Herrin. Auch Julietta selbst war erstaunt über ihre ausgelassenen Scherze; nur selten gab sie ihre Stimmung preis. Dazu war sie einerseits viel zu sehr die nüchterne Geschäftsfrau und andererseits viel zu vorsichtig. Und nach der vergangenen Nacht im Palazzo Landucci sollte ihr eigentlich noch viel weniger der Sinn nach Fröhlichkeit stehen.
    Doch bei Tageslicht sahen die Dinge viel weniger bedrohlich aus. Vielleicht waren es nur die Gedanken an schneidige Seeleute und böse Piraten, die ihre Angst vertrieben hatten. Aber selbst die Stadt, in den Nebelschwaden vor Sonnenaufgang noch so menschenleer und unheimlich, hatte sich im fahlen Winterlicht verändert. Über den kleinen campo eilten die Menschen. Geschäftig gingen sie ihren morgendlichen Besorgungen nach. Lachen und Scherzen ertönten und mischten sich mit dem stets gegenwärtigen Glockenklang von San Felice. Bald war endlich Karneval, für ihren Laden die beste Zeit des Jahres. Sie konnte also froh in die Zukunft sehen. Und morgens in aller Frühe, nach nur zwei Stunden unruhigen Schlafs, war sie ja auch zur Messe in San Felice gegangen und hatte um Absolution für die Sünden der Nacht gebetet.
    Ja, wenn mit der Absolution nur auch ewiges Vergessen einherginge … Wenn außerdem Conte Ermano Grattiano ihr heute nicht wieder seine Aufwartung machen würde … Auch ohne seine ständigen und lästigen Aufmerksamkeiten musste sie schon genug Aufregung und Gefahren meistern.
    „Du hast recht, Bianca. Wir sind reich genug. Ich werde die Welt lieber doch mit meinen erbärmlichen dichterischen Fähigkeiten verschonen. Irgendwie muss mir der Mangel an Schlaf zu Kopf gestiegen sein.“
    Die Dienerin nickte nachdenklich. „Sicher, Madonna. Ihr solltet Euch ausruhen. Geht und legt Euch ein paar Stunden ins Bett.“
    „Nein, auf keinen Fall. Wir müssen gleich den Laden öffnen. Vielleicht gönne ich mir heute Mittag eine Pause. Nun sei so gut und hole mir etwas von der Kamillenessenz aus dem Lager. Ich muss noch die Tinktur für Signora Mercanti mischen.“
    Bianca nickte wieder. Der Saum ihres langen hellblau-weiß gestreiften Rockes wippte über den frisch geputzten Fliesenboden, so schnell eilte sie davon. Julietta hörte die Tür zum Lagerraum hinter ihrer Dienerin zufallen und schloss die Ladentür auf, bevor sie sich an die restlichen Aufräumarbeiten machte.
    Viel zu tun gab es nicht. Schließlich hielt Julietta ihren Laden stets makellos sauber. Sie fürchtete immer, Staub oder Schmutz könnten ihre kostbaren Materialien verunreinigen, aus denen sie in stundenlanger Arbeit ihre Mixturen fertigte. Jeder Flakon, jedes Döschen, jeder Becher und jede Amphore enthielten ein Erzeugnis ihrer Hände Arbeit – Ergebnisse ihrer eigenen sorgfältigen Studien. Und die Damen Venedigs, gleich ob Kurtisane oder Aristokratin, kamen in Scharen, ihre Produkte zu kaufen, oder baten, einen ganz besonderen, magischen Duft für sie zu mischen.
    Julietta, die mit dem Rücken zur blauen Eingangstür stand, trat einen Schritt vom Ladentisch zurück und betrachtete ihr kleines Reich. Groß war es nicht, gewiss, aber es gehörte ihr – angefangen von den Mosaikfliesen auf dem Fußboden bis zu der weiß getünchten Decke. Es war das Erste und Einzige, was ihr jemals ganz alleine gehört hatte, und das Einzige, was ihr wirklich am Herzen lag. Ganz besonders aber schätzte sie den kleinen, hinter dem Holzpaneel versteckten Raum.
    Ein blaues, mit Silber und Saphiren geschmücktes
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