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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin
Autoren: A MCCABE
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nicht im Stich lasst.“
    „Ruft meine Dienerin Bianca herein. Sie wartet draußen im Korridor. Ihr zwei müsst ein Feuer im Kamin entfachen. Es muss ein großes, loderndes Feuer sein.“
    Cosima nickte wieder, stand auf und eilte still zur Tür. Die Tränen waren offensichtlich vergessen. Nun ja, dachte Julietta, zumindest kann sie sich schnell bewegen, wenn es von ihr verlangt wird.
    Als Cosima die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat Julietta ans Fenster. Zu so später Nachtstunde war keine Menschenseele mehr unterwegs, nicht einmal ein Gondoliere oder ein Freudenmädchen. Der offizielle Beginn der Karnevalswochen war erst in einigen Tagen. Sie drückte die Fensterflügel auf und schaute hinunter auf den Kanal. Ruhig floss das dunkle Wasser, ab und zu schwappte es leise gegen die Wand des Palazzo, wo es winzige weiße Schaumkrönchen bildete. Das Wasser wusste seine Geheimnisse zu wahren. Für immer! Julietta nahm den Kelch und den Flakon und schleuderte beide weit hinaus.
    Glitzernd tanzte einen Moment lang das fahle Mondlicht auf dem Glas. Dann waren die Behältnisse verschwunden, geräuschlos, als hätte es sie nie gegeben.
    „ Madre di dio“, flehte Julietta leise. „Lass es nicht von Neuem beginnen.“
    Der Himmel färbte sich schon hell, als Julietta endlich den Pa lazzo Landucci verließ. Zusammen mit Bianca, die dicht hinter ihr ging, eilte sie durch die menschenleeren Gassen zurück zu ihrer Wohnung nördlich der Rialto-Brücke. Julietta war völlig erschöpft, sie wollte nur noch schlafen. Schlafen und vergessen. Doch sie wusste, dass sie keine Ruhe finden würde, weder heute noch in den kommenden Nächten.
    Nicht nach all dem, was sie getan hatte.
    Es war ganz still. Nur ihre eigenen Schritte auf dem Kopfsteinpflaster waren zu hören, gelegentlich schlug ein Fensterladen im Wind. Noch war keine Menschenseele unterwegs, nicht einmal die Händler, die in aller Frühe ihre Waren auf dem Fischmarkt aufbauten. Die Luft war kühl, über dem Wasser hingen Nebel und ein modrig süßer Geruch. Kein Stern war zu sehen, und gräulichweiß erschien im fahlen Schein des untergehenden Mondes der Zierrat an den Häusern, die bei Tageslicht rosa, gelb oder orange in der Sonne strahlten.
    Julietta zog die Kapuze ihres Umhangs tiefer ins Gesicht und beschleunigte ihre Schritte. Wenn sie doch nur schon zu Hause wäre, wo sie sich sicher fühlen konnte.
    „Signora …“, begann Bianca, während sie versuchte, neben Julietta Schritt zu halten.
    „Nicht jetzt. Man könnte uns hören“, wisperte Julietta.
    Sie bogen in die schmale Gasse, die zu ihrem campo führte, einem kleinen gepflegten Platz mit einem Brunnen in der Mitte, an dem alle Anwohner frisches Wasser holen konnten. Noch ein paar Tage, dann sollte aus diesem Brunnen zum Vergnügen von Scharen Kostümierter wieder der Wein fließen. Vom Kirchturm von San Felice schlugen die Glocken zum Gebet, als Julietta den Brunnen passierte. Schon sah sie die blau getünchte Tür ihres Hauses, in dem sich Laden und Wohnung befanden. Eilig zog sie den Schlüssel aus der Innentasche ihres Umhangs. Gerade wollte sie den Schlüssel ins Messingschloss stecken, da ließ ein scharfes, schepperndes Geräusch sie herumfahren. Angespannt, die Hand am Gürtel unter ihrem Umhang, wo ihr kleiner Dolch steckte, flog ihr Blick über den campo. Jeden Winkel suchte sie nach einem Anzeichen von Gefahr ab.
    War ihnen jemand gefolgt? Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Wie Nadelstiche spürte sie die fremden Blicke auf ihrer Haut.
    Doch es war niemand zu sehen. In den Nachbarhäusern war alles ruhig. Nur ein einsamer Kater strich gemächlich um den Brunnen.
    Hörbar erleichtert atmete Bianca auf. „Ein Kater, Signora“, flüsterte sie.
    „ Sì“, antwortete Julietta, obwohl sie nicht ganz überzeugt war. „Gehen wir lieber schnell hinein.“ Sie drehte sich wieder zur Tür. Mit zittrigen Händen öffnete sie das Schloss und zog Bianca mit sich ins dunkle Innere des Hauses.
    Erst als die stabilen Holzläden fest verschlossen waren, konnte Julietta aufatmen.
    Geschafft. Fürs Erste fühlte sie sich sicher.

2. KAPITEL
    Das war also die berühmt-berüchtigte Julietta Bassano.
    Noch lange nachdem er Signora Bassano in ihrem Haus hatte verschwinden sehen, verweilte Marcos Antonio Velazquez in seinem engen Schlupfwinkel zwischen zwei hohen Häusern. Im unteren Stockwerk, wo die Signora ihren Parfümladen betrieb, beobachtete Marcos den schwachen Schein eines goldenen Lichtes.
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