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Die schöne Parfümhändlerin

Die schöne Parfümhändlerin

Titel: Die schöne Parfümhändlerin
Autoren: A MCCABE
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Fläschchen erregte ihre Aufmerksamkeit. Es stand etwas außerhalb des sorgsam aufgebauten Arrangements auf dem Ladentisch.
    Julietta nahm den Flakon und schnupperte daran – Jasmin und Lilie roch ihre geschulte Nase.
    Jasmin und Lilie! Eilig stellte sie das Fläschchen, das für Cosima Landucci bestimmt war, zurück auf die Theke. Doch der schwere, süße Duft hing Julietta an den Fingern und erinnerte sie wieder an die vergangene Nacht. Während sie einen Schritt zurücktrat, sah sie sich im goldgerahmten Spiegel, der an der Wand hinter der Ladentheke hing. Ihr Haar lag wie immer in ordentlichen Flechten um den Kopf, und wie immer trug sie einen kleinen schwarzen Spitzenschleier. Und nachdem sie die Schürze abgenommen hatte, erschien ihr auch das schwarzweiße Gewand, das lediglich an den Ärmeln mit einem roten Band ein wenig aufgeputzt war, so sauber und zurückhaltend kleidsam wie immer. Nur ihr Gesicht – sie war bleich wie ein Gespenst.
    Oder eine Hexe.
    Die Türglocke kündete den ersten Kunden des Tages an. Julietta holte tief Atem, sog die angenehm parfümierte Luft ein, hoffte, so ein wenig Farbe auf die Wangen zu bekommen, und verzog den Mund zu einem liebenswürdigen Lächeln, bevor sie sich umdrehte. „ Buon giorno! Willkommen in …“
    Der Anblick ihres ersten Kunden verschlug ihr die Sprache. Es war nicht eine blonde Kurtisane oder eine verschleierte Aristokratin, die nach einem besonderen Parfüm oder einer speziellen Lotion suchte oder nach einer Ware verlangte, die nur heimlich unter dem Ladentisch zusammengemischt wurde. Der Kunde war ein Mann. Und was für ein Mann!
    Er war groß, mit breiten Schultern über dem vornehmen dunkelroten Samtwams, das eng geschnitten, aber mit keinerlei Spitzen oder Stickerei verziert war. Unter den gezackten Ärmelmanschetten und zwischen den Seidenschließen des Wamses lugte ein leicht glänzendes cremefarbenes Seidenhemd hervor, das unter wenigen kleinen Rüschen den braunen Hals und ein wenig der unbehaarten, wettergegerbten Brust preisgab.
    Unwillkürlich glitt Juliettas Blick an den engen schwarzen Beinkleidern entlang bis hinunter zu den Schuhen aus dunklem Leder und mit glänzenden goldenen Schnallen. Keine noch so kunstvoll gearbeitete Schamkapsel in Form einer Muschelschale oder einer Gondel, kein bunt gestreiftes Beinkleid vervollständigten oder betonten seine maskuline Ausstattung. Dieser Mann war kein Schönling. Jedoch auch kein Mann, der nicht an Luxus gewöhnt war. Ihr Blick glitt wieder hoch, über die schmalen Hüften zurück zu den kräftigen Schultern und der starken Brust. Von dem Gesicht des Mannes – das rote Samtbarett hatte er tief in die Stirn gezogen – konnte sie nicht viel erkennen. Doch sie sah den großen blutroten Rubin an der Kopfbedeckung und die tropfenförmige Perle, die an seinem linken Ohrläppchen baumelte. Nein – Luxus war diesem Mann durchaus nicht fremd.
    Dunkelbraune, in der Sonne glänzende Locken fielen ihm bis auf die Schultern. Außerdem konnte sie noch ein markantes, glatt rasiertes und von der Sonne gebräuntes Kinn erkennen. Also kein verweichlichter Kaufmann und auch kein Bankier, der seine Tage im Schutz dicker Mauern verbrachte. Sicherlich auch kein Mann der Kirche, aber auch kein armer Seemann oder Schiffsbauer vom Arsenal.
    Ganz gewiss war er ein vornehmer Mann, der nicht nur Reichtum und Ansehen, sondern auch Macht besaß. Außerdem erkannte Juliettas empfindliche Nase selbst aus dieser Entfernung, dass dies kein Mann war, der sich mit billigem Parfüm übergoss. Er roch nach frischer, salziger Seeluft, ein wenig nach Limone – ein reiner Duft umgab ihn. Was konnte einen solchen Mann in ihr Geschäft führen?
    Ach ja, natürlich. Ein Geschenk für eine Dame. Und sie? Sie stand da, starrte ihn an wie ein Schwachkopf, glotzte auf seine Schultern, seine Brust und seine herrlichen Haare wie ein gewöhnliches Freudenmädchen.
    Julietta richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, während sie mit der Hand kurz den Sitz ihres Schleiers überprüfte. „ Buon giorno, signore“, wiederholte sie mit einem kurzen, angedeuteten Knicks ihren Gruß.
    „ Buon giorno, madonna“, antwortete er. Seine Stimme klang tiefer und rauer, als Julietta erwartete hatte. „Ich fürchtete, Ihr hättet noch nicht geöffnet.“ Sie vernahm einen leichten fremdländischen Tonfall. Also kein Venezianer.
    „Für einen eiligen Kunden haben wir immer geöffnet, Signore“, erwiderte sie und fuhr sich mit der Zungenspitze über die
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