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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens
Autoren: Jeff Lindsay
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worden, was ich zu schätzen wusste. Keine ekligen, klebrigen Haufen Därme oder andere glänzende, grauenhafte Eingeweide. Stattdessen war der ganze furchtbare Dreck herausgeschaufelt worden. Dann hatte man die Bauchhöhle der Frau in einen sauberen und geschmackvollen exotischen Obstkorb verwandelt, die Art, mit der Hotels besondere Gäste begrüßen. Ich konnte Mangos, Papayas, Orangen und Grapefruits ausmachen, eine Ananas und natürlich ein paar Bananen. Sogar eine leuchtendrote Schleife war am Brustkorb befestigt, und zwischen den Früchten ragte eine billige Flasche Sekt hervor.
    Der Mann war mit einer im Vergleich eher zwanglosen Vielfalt dekoriert worden. Statt der leuchtenden und attraktiven Obstmischung hatte man seine leere Bauchhöhle mit einer riesigen, bunten Sonnenbrille, einer Tauchermaske mit Schnorchel, einer Tube Sonnencreme, einer Flasche Insektenschutzmittel und einem kleinen Teller
pasteles,
kubanischem Gebäck, gefüllt. In dieser sandigen Wildnis ohne Doughnuts schien das eine gewaltige Verschwendung. Auf einer Seite der Höhle steckte eine Art Broschüre. Ich beugte mich vor und sah genauer hin; es war der
South Beach Swimsuit Calendar.
Hinter dem Kalender streckte ein Zackenbarsch den Kopf in die Höhe, dessen klaffendes Fischgesicht zu einem Lächeln erstarrt war, das dem der Plastikmaske des Mannes auf unheimliche Weise ähnelte.
    Hinter mir hörte ich Schritte durch den Sand zischen und drehte mich um.
    »Freunde von dir?«, erkundigte sich meine Schwester Deborah und nickte in Richtung der Leichen. Vielleicht sollte ich sie Sergeant Deborah nennen, da mein Job von mir verlangt, höflich zu jemandem zu sein, der einen erhabenen Rang innerhalb der Polizeikräfte innehat. Und im Allgemeinen bin ich höflich, bis hin zu dem Punkt, ihre höhnische Bemerkung zu ignorieren. Doch der Anblick dessen, was sie in Händen hielt, ließ mich all meine gesellschaftlichen Verpflichtungen vergessen. Irgendwie war es ihr gelungen, einen Doughnut aufzutreiben – mit Cremefüllung, meine Lieblingssorte –, und sie biss ein großes Stück davon ab. Es schien grauenhaft ungerecht. »Was meinst du, Bruderherz?«, fragte sie mit vollem Mund.
    »Ich meine, du hättest mir einen Doughnut mitbringen sollen.«
    Sie bleckte die Zähne zu einem breiten Lächeln, das keine Verbesserung darstellte, da ihr Gaumen von der Schokoglasur des fraglichen Doughnut verschmiert war. »Das habe ich«, sagte sie. »Aber ich habe Hunger bekommen und ihn gegessen.«
    Es war nett, meine Schwester lächeln zu sehen, da dies nicht zu den Dingen gehörte, die sie in den letzten Jahren häufig getan hatte; es schien nicht zu ihrem Selbstbild als Polizistin zu passen. Dennoch erfüllte mich ihr Anblick nicht gerade mit der warmen Glut brüderlicher Liebe – hauptsächlich, weil ich nicht gleichzeitig von Doughnut erfüllt war, was ich mir so sehr wünschte. Doch ich wusste von meinen Recherchen, dass Familienglück das Zweitbeste war, weshalb ich die bestmögliche Miene machte. »Das freut mich ungemein für dich«, sagte ich.
    »Nein, tut es nicht, du bist sauer. Also, was meinst du?« Sie stopfte den Rest Creme-Doughnut in den Mund und nickte erneut in Richtung der Leichen.
    Selbstverständlich hatte Deborah mehr als jeder andere das Recht, von meinem besonderen Verständnis für kranke und verdrehte Tiere zu profitieren, die auf diese Weise töten, da sie meine einzige Verwandte war und ich selbst krank und verdreht. Doch abgesehen vom allmählich verebbenden Amüsement des Dunklen Passagiers hatte ich keine spezielle Erleuchtung, warum diese beiden Leichen wie ein Willkommensgruß eines äußerst gestörten Empfangskomitees arrangiert waren. Angespannt lauschte ich eine Weile, während ich vorgab, die Leichen zu mustern, doch sah und hörte ich nichts, abgesehen von einem schwachen, ungeduldigen Räuspern aus den Schatten des Château Dexter. Doch Deborah erwartete eine Art Erklärung.
    »Es scheint schrecklich gekünstelt«, brachte ich heraus.
    »Nettes Wort. Was zum Teufel bedeutet es?«
    Ich zögerte. Gewöhnlich fällt es mir dank meines besonderen Verständnisses für ungewöhnliche Morde leicht, eine Theorie zu entwickeln, welche Art von psychologischem Chaos den betreffenden Stapel menschlicher Überreste hervorgebracht hat. Aber in diesem Fall zog ich eine Niete. Sogar einem wahren Experten wie mir sind Grenzen gesetzt, und welches Trauma auch immer für das Bedürfnis verantwortlich war, eine pummelige Frau in einen
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