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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens
Autoren: Jeff Lindsay
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Koffer davonzumachen, und als ich einschritt, knurrte er mich an, und das war genau das Willkommen, das ich brauchte. Es tat gut, wieder zu Hause zu sein.
    Wenn außerdem noch eine weitere gefühlvolle Begrüßung notwendig gewesen wäre, so wurde sie mir in aller Herrgottsfrühe am Montagmorgen zuteil, meinem ersten Arbeitstag. Ich trat aus dem Fahrstuhl und lief Vince Masuoka in die Arme. »Dexter«, sagte er in einem Ton, den ich als absolut emotional empfand, »hast du Doughnuts mitgebracht?« Es war herzerwärmend festzustellen, wie sehr man mich vermisst hatte, und ich bin überzeugt, dass mir warm darum geworden wäre, würde ich über ein Herz verfügen.
    »Ich esse keine Doughnuts mehr«, erklärte ich, »nur noch
Croissants.
«
    Vince zwinkerte. »Wieso?«
    »Je suis parisien«,
erwiderte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Nun, du hättest Doughnuts mitbringen sollen«, meinte er. »Heute Morgen ist was echt Merkwürdiges aus South Beach gemeldet worden, und da draußen kriegt man keine Doughnuts.«
    »Quelle tragédie«,
sagte ich.
    »Wirst du den ganzen Tag so weitermachen?«, erkundigte er sich. »Der könnte nämlich ziemlich lang werden.«
    Er war in der Tat sehr lang und wurde noch länger durch das irre Gedränge von Reportern und anderen Gaffern, die sich bereits einen Meter tief vor dem gelben Absperrband reihten, das um einen Strandabschnitt nicht weit der Südspitze von South Beach gespannt worden war. Ich schwitzte, als ich mich durch die Menge zum Sand hinarbeitete, wo zehn Meter von den Leichen entfernt Angel-keine-Verwandtschaft schon auf Händen und Knien etwas untersuchte, was kein anderer sehen konnte.
    »Was ist merkwürdig?«, fragte ich ihn.
    Er sah nicht einmal hoch. »Titten an einem Frosch«, erwiderte er.
    »Da hast du sicher recht. Doch Vince meinte, an den Leichen wäre was merkwürdig.«
    Stirnrunzelnd musterte er etwas und beugte sich noch tiefer zum Sand.
    »Hast du keine Angst vor Sandflöhen?«, fragte ich.
    Angel nickte nur. »Sie wurden woanders umgebracht. Doch einer hat ein bisschen getropft.« Er runzelte die Stirn. »Aber es ist kein Blut.«
    »Was für ein Glück für mich.«
    »Außerdem …«, mit einer Pinzette bugsierte er etwas Unsichtbares in einen Plastikbeutel, »… wurden sie …« Und hier verstummte er, nicht aufgrund irgendwelcher unsichtbaren Objekte, sondern als würde er nach einem Wort suchen, das mich nicht allzu sehr verschreckte, und in der Stille vernahm ich vom dunklen Rücksitz des Dextermobils das anschwellende Schwirren sich streckender Schwingen.
    »Was?«, drängte ich, als ich es nicht mehr aushielt.
    Angel schüttelte leicht den Kopf. »Sie wurden – arrangiert«, sagte er, und als wäre ein Bann gebrochen, begann er sich ruckartig zu bewegen, versiegelte seine Plastiktüte, legte sie behutsam zur Seite und ließ sich dann wieder auf ein Knie nieder.
    Wenn das alles war, was er zum Thema beizutragen hatte, musste ich offensichtlich persönlich nachsehen, was diese zischende Stille bedeutete. Deshalb begab ich mich zehn Meter weiter zu den Leichen.
    Es waren zwei, männlich und weiblich, in den Dreißigern, und man hatte sie nicht ihrer Schönheit wegen gewählt. Beide waren blass, übergewichtig und behaart. Sie waren sorgfältig auf farbenprächtigen Strandtüchern drapiert, die bei Touristen aus dem Mittleren Westen so beliebt sind. Auf dem Schoß der Frau lag wie zufällig ein aufgeschlagenes, leuchtendrosa Taschenbuch mit kitschigem Cover, wie es Urlauber aus Michigan liebend gern mit sich herumschleppen:
Miami Terror.
Ein ganz und gar gewöhnliches Ehepaar, das einen Tag am Strand genoss.
    Um das Glück zu unterstreichen, das sie vermeintlich erfuhren, trugen beide semitransparente Masken, die offensichtlich mit Klebstoff befestigt waren. Masken, die ein breites, künstliches Lächeln ins Gesicht des Trägers zauberten, während die Miene dahinter weiterhin durchschien. Miami, Heimat des ewigen Lächelns.
    Nur dass diese beiden für ihr Lächeln sehr ungewöhnliche Gründe hatten, Gründe, die meinem Dunklen Passagier beinah einen Lachkrampf bescherten. Die beiden Leichen waren vom unteren Rippenbogen bis zur Taille aufgeschlitzt worden. Dann hatte man das Fleisch zurückgeschlagen, um auszustellen, was sich im Inneren befand. Es hätte der zischelnden Heiterkeit, die mein schattiger Freund verströmte, nicht bedurft, um zu würdigen, dass das Innere in der Tat ein wenig vom Üblichen abwich.
    Das normale Durcheinander war entfernt
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