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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens
Autoren: Jeff Lindsay
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Glückspilz«, sagte ich zu Deborah.
    Sie funkelte mich wütend an, doch ich zuckte die Achseln. »Wenigstens musst du nicht warten«, sagte ich.

4
    E ine der großartigsten Eigenheiten Miamis ist der stete Drang seiner Bewohner, alles zu asphaltieren. Unsere schöne Stadt begann als von Flora und Fauna wimmelnder subtropischer Garten, und nach nur wenigen Jahren harter Arbeit waren alle Pflanzen verschwunden und die Tiere tot. Selbstverständlich lebt die Erinnerung an sie in den Wohnanlagen fort, die ihren Platz eingenommen haben. Ein ungeschriebenes Gesetz lautet, dass jedes neue Projekt den Namen derer zu tragen hat, die umgebracht wurden, um es zu errichten. Adler ausgelöscht? Wohnanlage Eagle’s Nest. Panther vernichtet? Siedlung Panther Run. Einfach und elegant und im Allgemeinen äußerst lukrativ.
    Ich will damit nicht andeuten, dass die Fairchild Gardens ein Parkplatz waren, dessentwegen man alle Fairchilds und ihre Tulpen getötet hatte. Mitnichten. Im Gegenteil, der Park verkörpert die Rache der Pflanzenwelt. Selbstverständlich muss man an etlichen Orchid Bays und Cypress Hollows vorüberfahren, um dorthin zu gelangen, doch ist man erst einmal dort, wird man von einer gewaltigen, natürlich wirkenden Wildnis aus Bäumen und Orchideen willkommen geheißen, die praktisch bar jeglicher Hecken scherenden Menschheit ist. Abgesehen natürlich von den Busladungen Touristen. Dennoch existieren dort ein oder zwei Fleckchen, an denen man eine echte Palme ohne Neonreklame im Hintergrund bewundern kann, und im Allgemeinen fand ich es sehr erholsam, weit entfernt vom üblichen Rummel im Grünen zwischen den Bäumen spazieren zu gehen.
    Doch als wir an diesem Morgen eintrafen, war der Parkplatz überfüllt, da die Gärten wegen der Entdeckung von etwas Furchtbarem geschlossen waren, und die Menschenmengen, auf deren Terminplan ein Besuch der Gardens stand, sich am Eingang sammelten – in der Hoffnung, doch noch hineinzugelangen, damit sie den Punkt von ihrer Agenda streichen konnten und vielleicht sogar etwas Grauenhaftes zu sehen bekamen, weswegen sie dann vorgeben konnten, erschüttert zu sein. Ein perfekter Urlaubstag in Miami: Orchideen und Leichen.
    Zwei junge, elfenhafte Männer kreisten sogar mit Videokameras durch die Menge und filmten ausgerechnet diejenigen, die herumstanden und warteten. Dabei riefen sie »Mord im Park« und andere aufmunternde Bemerkungen. Vielleicht hatten sie einen guten Parkplatz und wollten ihn nicht aufgeben, denn mittlerweile war es unmöglich, etwas Größeres als ein Einrad abzustellen.
    Deborah war natürlich in Miami geboren und Polizistin ebenda; sie fuhr mit ihrem Dienstwagen einfach durch die Menge und stellte ihn vor dem Haupteingang des Parks ab, wo bereits mehrere andere Polizeifahrzeuge standen, und sprang heraus. Als ich ebenfalls ausgestiegen war, sprach sie bereits mit einem Streifenpolizisten, einem kleinen, bulligen Typ namens Meltzer, den ich flüchtig kannte. Er zeigte auf einen Pfad jenseits des Eingangs, und Deborah lief an ihm vorbei den Weg hinunter.
    Ich folgte ihr, so rasch ich konnte. Ich war daran gewöhnt, hinter Deborah herzulaufen und Fangen zu spielen, da sie zu einem Tatort stets raste. Es schien nie sonderlich angebracht, sie darauf hinzuweisen, dass kein Anlass zur Eile bestand. Schließlich hatte das Opfer nichts mehr vor. Egal, Deborah hastete, und sie erwartete, mich dort vorzufinden, damit ich ihr mitteilen konnte, was sie darüber dachte. Und so eilte ich hinter ihr her, ehe sie in dem sorgfältig gepflegten Dschungel abhandenkommen konnte.
    Ich holte sie schließlich ein, als sie gerade schliddernd in einer kleinen Lichtung abseits des Hauptwegs zum Stehen kam, in einem Bereich, der Regenwald genannt wurde. Dort stand eine Bank, auf der erschöpfte Naturliebhaber eine Pause einlegen und inmitten der Blüten wieder zu Kräften kommen konnten. Unglücklicherweise für den schwachen, schnaufenden Dexter, der nach der Jagd über Stock und Stein nach Atem rang, war die Bank bereits von jemandem besetzt, der das Sitzen eindeutig nötiger hatte als ich.
    Er saß neben einem fließenden Gewässer im Schatten einer Palme, gekleidet in ausgebeulte Baumwollshorts, deren Tragen in der Öffentlichkeit neuerdings aus irgendwelchen Gründen akzeptabel ist. Er trug Flipflops, die unabdingbar zu diesen Shorts gehören, und ein T-Shirt mit der Aufschrift »I’m with Butthead«. Man hatte ihn mit einer Kamera ausstaffiert, und er hielt gedankenverloren
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