Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schöne Betrügerin

Die schöne Betrügerin

Titel: Die schöne Betrügerin
Autoren: Celeste Bradley
Vom Netzwerk:
zurückgeschlagen und mit den Fingerspitzen die abgetretenen Bodendielen befühlt.
    Eine davon lag ein wenig höher als die anderen – da. Sie hatte die Nägel in die Kante gegraben, die Diele vorsichtig angehoben und mit einem heftigen Rütteln aus ihrer Mulde gezogen. Unter der Planke, in dem Hohlraum zwischen den Dielen und den Bodenstreben, hatte ein alter, fleckiger Schulranzen gelegen. Ein Auge auf den erbärmlichen Türriegel geheftet, die Ohren in Richtung Treppe nach den schweren Schritten ihrer Vermieterin gespitzt, hatte Phillipa den Ranzen unter der Diele herausgezogen und vorsichtig auf das Bett gelegt.
    Das schwere Buch darin war gleichfalls fleckig, die Seiten von der Feuchtigkeit gewellt, doch Phillipa hatte den modrigen Geruch ignoriert und es mit einer Achtsamkeit behandelt, die an Zärtlichkeit grenzte. Mit fast schon abergläubischer Zwanghaftigkeit hatte sie die Finger über das griechische Emblem gleiten lassen, das zur Zierde in den ledernen Buchdeckel geprägt war. Der Buchstabe Phi, ein flachgedrückter Kreis, den eine vertikale Linie teilte.
    Dann hatte sie es aufgeschlagen und schnell die Seiten durchgeblättert. Wenn sie sich nicht irrte, stand der Name aus der Zeitung am Rand einer Seite geschrieben…
    Ja, da war er, in Papas halb leserlichem Gekritzel, das er verwendete, wenn etwas nur für ihn allein lesbar sein sollte. »James Cunnington genau im Auge behalten.«
    Nichts weiter. Kein Grund, warum James Cunnington beobachtet werden musste. Zu seiner eigenen Sicherheit? Um die Krone zu schützen? Denn daran hatte ihr Vater gearbeitet, bevor er in den Ruhestand gegangen war. Er hatte ihr niemals Einzelheiten erzählt, und tatsächlich hatte sie dieses Notizbuch erst in jener Nacht entdeckt, als sie vor den marodierenden französischen Soldaten geflohen war, die ins Haus eingebrochen und ihren Vater verschleppt hatten…
    Aber es war keine Zeit für Erinnerungen und Wehmut. Sie hatte sich die jüngste Vergangenheit mit Nachdruck aus dem Kopf geschlagen. Sie zog die Seite mit den Anzeigen heran und legte sie neben das aufgeschlagene Notizbuch ihres Vaters auf das Bett.
    Ein Irrtum war ausgeschlossen. Es war derselbe Name. Freund oder Feind, sie würde es schon noch herausbekommen. Und der beste Weg, das festzustellen, war, diesen James Cunnington persönlich kennen zu lernen.
    James Cunnington suchte also einen Hausangestellten.
    Einen Hauslehrer, genauer gesagt. Genau die Arbeit, die Phillipa suchte, mit einer kleinen Besonderheit allerdings.
    James Cunnington wollte einen Mann einstellen.
    Phillipa Atwater. Phillip A. Walters. Der Name drehte und wand sich in ihrem Kopf. Den Nachnamen ein wenig abzuändern hatte sie für ihre Verfolger schon etwas unsichtbarer werden lassen, wie vollständig konnte sie dann erst verschwinden, wenn sie…
    Gott, sie war verrückt zu denken, was sie dachte!
    Aber andererseits waren die Anforderungen an einen Lehrer für Jungen nicht so streng. Außerdem gab es weit mehr Stellenangebote, in denen Hauslehrer für Jungen gesucht wurden, als für Mädchen. Schließlich hatte der Faktor, dass sie mit Hilfe einer männlichen Identität jedweden Verfolger vielleicht endgültig abschütteln konnte, den Ausschlag gegeben.
    Früher hätte sie sich strikt geweigert, mit einer solchen Lüge zu leben, und vermutlich tapfer erklärt, lieber sterben zu wollen. Jetzt hatte der Tod einen so realistischen Beigeschmack, wie sie es nie zuvor erlebt hatte.
    Sie hatte nichts mehr. Die Miete war überfällig, und sie war bei Brot und einmal täglich Brühe angekommen. Es würde nicht mehr lang dauern, bis sie auf der Straße stand. Ihre Vermieterin war nicht von der mitfühlenden Sorte.
    Mrs. Farquart hatte letzte Woche eine ihrer Mieterinnen nach Bedlam karren lassen, als die arme Frau angefangen hatte, laute Gespräche mit ihrem gefallenen Ehemann zu führen, wenn sie allein in ihrem Zimmer war. Die Habe der Frau stand in einer Kiste am Eingang und wartete immer noch darauf, abgeholt zu werden. Ihre Kleider… und die ihres Mannes.
    Phillipa hatte sich nur ein paar Sachen geborgt. Nur um zu dem Vorstellungsgespräch zu gehen, dann würde sie sie wieder zurücklegen. Sie hatte ihr langes Haar für ein paar Stiefel an einen Perückenmacher verkauft und mit einer billigen Flasche Färbemittel, die sie ihr letztes Paar gute Strümpfe gekostet hatte, den Naturton verändert.
    In der spiegelnden Tischplatte sah sie, wie ihre Hand sich in unwillkürlicher Trauer an die kurzen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher