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Die schöne Ballerina (German Edition)

Die schöne Ballerina (German Edition)

Titel: Die schöne Ballerina (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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Gefühl, der Unbekannte mache sich über sie lustig. Sie warf den Kopf in den Nacken und wies mit der Hand nach vorn.
    »Hier ist es, halten Sie bitte jetzt an. Das Haus mit den Dachfenstern.«
    Als der Wagen vor einem weißen Holzzaun ausrollte, wandte Lindsay sich betont würdevoll an den Fremden, um sich so frostig wie möglich von ihm zu verabschieden.
    »Sehen Sie zu, dass Sie schnell aus den nassen Kleidern kommen«, riet er, ehe Lindsay auch nur die geringste Chance hatte, etwas zu sagen. »Und passen Sie in Zukunft besser auf, wenn Sie über die Straße laufen.«
    Lindsay drohte an ihrer Antwort zu ersticken, brachte jedoch keinen Laut über die Lippen. Hastig öffnete sie die Tür und sprang in den strömenden Regen hinaus. Mit einem kurzen Blick zurück zischte sie: »Tausend Dank für den freundlichen Rat!«, und warf wütend die Tür hinter sich zu.
    Um die Rückseite des Wagens herum rannte sie zum Gartentor und stürmte ins Haus, ohne zu bemerken, dass sie immer noch die Jacke des Fremden trug.
    In der Diele blieb sie einen Augenblick lang stehen, schloss die Augen und atmete erst einmal tief durch. Ehe sie ihrer Mutter begegnete, musste sie ruhiger werden, denn sie wusste genau, wie verräterisch ihr Gesicht sein konnte.
    Lindsays Karriere war ihr besonderes Talent, Gefühle mimisch und tänzerisch auszudrücken, sehr zugutegekommen, denn durch ihre große Ausdruckskraft vermochte sie ihre Rollen überzeugend darzustellen.
    Im täglichen Leben erwies es sich dagegen nicht immer als Vorteil, dass man ihr jeden Gedanken vom Gesicht ablesen konnte. Hätte Mary ihre Tochter in ihrer augenblicklichen Erregung gesehen, so wäre Lindsay nicht davongekommen, ohne die ganze leidige Geschichte zu erzählen. Danach hätte sie sich die kritischen Bemerkungen ihrer Mutter anhören müssen, und dazu fühlte sie sich ganz bestimmt nicht mehr in der Lage.
    Nass und erschöpft begann Lindsay die Stufen zum ersten Stock hinaufzusteigen. Bevor sie ihre Mutter sah, hörte sie deren ungleichmäßige Schritte. Zeit ihres Lebens würde Marys Hinken Lindsay an den tödlichen Unfall ihres Vaters erinnern.
    »Hallo! Ich will mir nur schnell etwas Trockenes anziehen.« Lindsay lächelte ihrer Mutter zu, die am Fuß der Treppe stehen geblieben war und sich auf den Geländerpfosten stützte.
    Marys Haar war jugendlich blond gefärbt und sportlich geschnitten. Das geschickt aufgetragene Make-up verdeckte zwar kleinere Fältchen, aber leider nicht den Ausdruck ständiger Unzufriedenheit.
    »Mein Wagen ist nicht angesprungen«, fuhr Lindsay schnell fort, bevor ihre Mutter zu Wort kam. »Dann bin ich vom Regen überrascht worden, bevor mich jemand im Wagen mitgenommen hat. Heute Abend werde ich Andy bitten müssen, mich zur Vorstellung zu fahren.«
    »Du hast vergessen, ihm die Jacke zurückzugeben«, stellte Mary fest. Während sie mit ihrer Tochter sprach, verlagerte sie ihr Gewicht noch stärker auf den Pfosten, denn bei feuchtem Wetter machte ihr die Hüfte sehr zu schaffen.
    »Seine Jacke?« Verwirrt sah Lindsay auf die langen Ärmel, die zu beiden Seiten ihrer Schultern herabhingen. »Oh nein! Das darf doch nicht wahr sein!«
    »Nun reg dich nicht gleich auf. Andy wird einen Abend ohne sie auskommen.«
    Lindsay war viel zu müde, ihrer Mutter zu erklären, dass die Jacke nicht Andy, sondern einem Fremden gehörte.
    »Wahrscheinlich«, stimmte sie obenhin zu. Dann trat sie einen Schritt zurück, legte ihre Hand auf die ihrer Mutter und meinte: »Du siehst müde aus. Hast du dich heute nicht genügend ausgeruht?«
    »Behandle mich nicht ständig wie ein kleines Kind!«, fuhr Mary sie an.
    Lindsay zuckte zusammen und nahm schnell die Hand zurück. »Entschuldige bitte.« Ihre Stimme klang beherrscht, aber man sah ihr an, dass die Zurückweisung sie verletzt hatte. »Ich geh nur schnell nach oben und ziehe mich um.«
    Sie wollte sich abwenden, doch Mary hielt sie am Arm zurück.
    »Tut mir leid, Lindsay«, seufzte sie. »Entschuldige, aber ich bin heute schlecht gelaunt. Dieses Wetter deprimiert mich sehr.«
    »Ich weiß«, sagte Lindsay sanft.
    Sie kannte den Grund für die Stimmung ihrer Mutter. An einem Tag wie heute waren ihre Eltern verunglückt. Regen und abgefahrene Reifen hatten den schrecklichen Unfall verursacht.
    »Und es regt mich einfach auf, wenn du da so stehst und dich um mich sorgst, anstatt in New York zu sein.«
    »Mutter …«
    »Gib dir keine Mühe.« Marys Stimme hatte einen scharfen Unterton. »Solange du
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