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Die schöne Ballerina (German Edition)

Die schöne Ballerina (German Edition)

Titel: Die schöne Ballerina (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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begraben müssen, doch ihre Tochter würde es schaffen, davon war sie fest überzeugt.
    Für Lindsay begann der Ballettunterricht mit fünf Jahren. Mary überwachte jeden ihrer Schritte. Schon bald war Lindsays Leben eine aufregende Mischung aus Unterricht, klassischer Musik und Ballettaufführungen. Mary achtete auf strengste Einhaltung einer bestimmten Diät und beobachtete besorgt das Wachstum ihrer Tochter. Als feststand, dass Lindsay nicht mehr als einen Meter sechzig erreichen würde, war sie erleichtert, denn Tänzerinnen wirkten auf erhobenen Spitzen achtzehn Zentimeter größer, und eine große Primaballerina hatte es oft schwer, Partner zu finden.
    So blieb Lindsay klein wie ihre Mutter, war aber zu deren Stolz schlank und feingliedrig. Nach einer kurzen Übergangsperiode, in der Arme und Beine ihr ständig im Weg zu sein schienen, entwickelte sich Lindsay zu einem auffallend anmutigen Teenager mit feinem silberblonden Haar und leuchtend blauen Augen. Sie besaß die Figur der klassischen Balletttänzerin, und ihre graziösen Bewegungen täuschten darüber hinweg, wie durchtrainiert sie war.
    Alle geheimen Wünsche Marys waren in Erfüllung gegangen.
    Lindsay sah nicht nur aus wie eine Primaballerina, sie hatte auch das nötige Talent. Um das zu erkennen, brauchte Mary nicht erst die Beurteilung der Lehrer, sie sah es täglich mit eigenen Augen. Harmonie verband sich mit Technik, Ausdauer mit Können.
    Mit achtzehn wurde Lindsay von einer New Yorker Balletttruppe engagiert. Sie blieb nicht eine von vielen, wie ihre Mutter, sondern wurde schon bald mit Solopartien betraut. Kurz vor ihrem zwanzigsten Geburtstag stand sie als Erste Tänzerin auf der Bühne. Zwei Jahre lang sah es so aus, als läge eine große Zukunft vor Lindsay. Doch dann zwang sie das Schicksal von heute auf morgen, ihre Karriere aufzugeben und nach Connecticut zurückzukehren.
    Nun lehrte sie schon seit drei Jahren Tanz an ihrer Ballettschule, war jedoch im Gegensatz zu ihrer Mutter nicht verbittert, sondern nahm das Ganze gelassen hin. Schließlich war sie immer noch Tänzerin. Und daran würde sich auch nie etwas ändern.
    Die Wolken schoben sich immer dichter vor die Sonne. Lindsay fröstelte, und sie wünschte, sie hätte ihre Jacke nicht im Wagen liegen lassen, denn der Schal, den sie umgeschlungen hatte, bedeckte kaum ihre nackten Arme.
    Um warm zu werden, beschloss sie, einen Dauerlauf zu machen. Mühelos passten sich ihre Muskeln dem neuen Tempo an. Sie lief locker und anmutig. Die Bewegung machte ihr Freude, und bald waren die unerfreulichen Ereignisse des Tages vergessen.
    Plötzlich brach das Unwetter los, und im Nu stand die Straße unter Wasser. Lindsay blieb stehen, starrte in die schwarzen Wolken und stampfte mit dem Fuß auf. »Bleibt mir denn heute nichts erspart?«
    Ein gewaltiger Donnerschlag schien sich über sie lustig zu machen, und da Lindsay ihren Sinn für Komik nicht verloren hatte, musste sie herzlich lachen.
    Als sie auf der anderen Straßenseite das Haus der Moorefields bemerkte, beschloss sie, Andy zu bitten, sie nach Hause zu fahren. Sie zog den Schal ein wenig fester um die Schultern und trat auf die Fahrbahn, um hinüberzulaufen.
    Im selben Augenblick hörte sie wütendes Hupen. Erschreckt zuckte sie zusammen. Durch den dichten Regenschleier sah Lindsay einen Wagen auf sich zurasen. Mit einem Satz sprang sie auf den rettenden Bürgersteig zurück, glitt auf dem nassen Pflaster aus und landete unsanft in einer großen Pfütze. Bremsen quietschten, Reifen rutschten über nassen Asphalt.
    Entsetzt kniff Lindsay die Augen zusammen.
    »Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?«, brüllte jemand.
    Erst nach einigen Sekunden wagte Lindsay die Augen wieder zu öffnen. Eine große Gestalt beugte sich über sie. Bei näherem Hinsehen erkannte Lindsay die scharf geschnittenen Gesichtszüge eines dunkel gekleideten Mannes. Dichte Brauen waren zornig zusammengezogen. Lindsay schätzte den Fremden auf etwa einen Kopf größer als sie selbst und nahm mit beruflichem Interesse zur Kenntnis, dass er ausgesprochen gut gewachsen war.
    »Sind Sie verletzt?« Die Frage klang mühsam beherrscht.
    Als Lindsay stumm den Kopf schüttelte, packte er sie mit einer heftigen Bewegung bei den Armen, zog sie aus der Pfütze und stellte sie auf die Beine.
    »Laufen Sie immer blind durch die Gegend?« Er schüttelte sie einmal kräftig, bevor er sie losließ.
    Lindsay kam sich plötzlich ziemlich dumm vor, denn natürlich hatte sie nicht
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