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Die schöne Ballerina (German Edition)

Die schöne Ballerina (German Edition)

Titel: Die schöne Ballerina (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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genügend aufgepasst. »Es tut mir leid«, setzte sie zu einer Entschuldigung an. »Ich habe mich umgesehen, aber …«
    »Umgesehen?«, fiel er ihr ins Wort. »Dann sollten Sie vielleicht gelegentlich Ihre Brille aufsetzen!«
    Über seinen Tonfall ärgerte sich Lindsay am meisten. »Ich trage keine Brille«, erklärte sie würdevoll.
    »Das sollten Sie aber.«
    »Ich habe sehr gute Augen.« Sie strich sich mit der Hand das triefende Haar aus dem Gesicht.
    »Warum laufen Sie dann wie ein blindes Huhn über die Straße?«
    Langsam ging dieser Mensch Lindsay auf die Nerven. Sie stemmte die Arme in die Seiten und fauchte ihn an: »Ich habe mich bereits dafür entschuldigt – das heißt, ich wollte mich entschuldigen, bevor Sie mir über den Mund gefahren sind. Wenn Sie einen Kniefall erwarten, muss ich Sie leider enttäuschen. Hätten Sie nicht wie verrückt gehupt, dann wäre ich nicht in diese blöde Pfütze gefallen!« Sie fasste an die nassen Jeans. »Auf die Idee, sich bei mir dafür zu entschuldigen, sind Sie wohl noch nicht gekommen?«
    »Nein, bin ich nicht. Warum sollte ich? Ist es meine Schuld, wenn Sie sich so tollpatschig benehmen?«
    »Tollpatschig?« Lindsay wusste nicht, ob sie richtig gehört hatte. »Tollpatschig!«, wiederholte sie empört, denn eine größere Kränkung konnte sie sich kaum vorstellen. Das ging erheblich zu weit. Niemand durfte sie so beleidigen. »Sie! Sie unverschämter Mensch!« Lindsays Wangen färbten sich tiefrot, und ihre Augen blitzten vor Zorn. »Sie haben mich fast zu Tode erschreckt, sind schuld daran, dass ich ins Wasser gefallen bin, beschimpfen mich, als wäre ich eine dumme Göre, und unterstehen sich auch noch, mich tollpatschig zu nennen?«
    Die einzige Reaktion auf diesen leidenschaftlichen Temperamentsausbruch war ein leichtes Heben der Augenbrauen. »Wem der Schuh passt, der ziehe ihn sich an«, erklärte der Fremde ungerührt, nahm Lindsay unsanft bei der Hand und zog sie hinter sich her.
    »He! Was fällt Ihnen ein? Lassen Sie mich sofort los!« Sie versuchte sich seinem Griff zu entziehen.
    »Wollen Sie hier im Regen Wurzeln schlagen?« Er öffnete seinen Wagen auf der Fahrerseite und schob Lindsay ohne Umstände auf den Sitz. Unwillkürlich rückte sie weiter, um ihm Platz zu machen.
    »Ich kann Sie wohl kaum hier stehen lassen«, erklärte er brüsk, setzte sich neben Lindsay und knallte die Tür zu.
    Der Regen prasselte auf das Wagendach und gegen die Scheiben. Lindsay betrachtete die schlanken Hände des Fremden auf dem Steuerrad. Die Hände eines Pianisten, dachte sie und fand ihn plötzlich gar nicht mehr so schrecklich unsympathisch. Doch dann drehte er ihr sein Gesicht zu, und sein Blick erstickte alle aufkeimenden freundlichen Gefühle.
    »Wohin wollen Sie?«
    Lindsay richtete sich kerzengerade auf. »Nach Hause. Anderthalb Kilometer geradeaus.«
    Prüfend sah er das Mädchen an seiner Seite zum ersten Mal genauer an. Ihr klares Gesicht war ungeschminkt. Die langen Wimpern waren auch ohne Mascara dunkel und wirkten voll und betonten das intensive Blau der Augen. Diese Frau ist mehr als nur schön, dachte der Fremde, sie hat eine besondere Ausstrahlung. Bevor er dazu kam, weitere Betrachtungen anzustellen, bemerkte er, dass Lindsay vor Kälte zitterte.
    »Wenn Sie im Regen spazieren gehen, sollten Sie sich dementsprechend anziehen«, sagte er milde, langte nach einer braunen Jacke auf dem Rücksitz und warf sie Lindsay auf den Schoß.
    »Ich brauche keine …« Das Ende des Satzes ging in zweifachem Niesen unter. Danach legte sie sich ohne weiteren Widerspruch die Jacke über die Schultern, während der Unbekannte den Motor anließ. Schweigend fuhren sie durch den sintflutartigen Regen.
    Mit einem Mal kam es Lindsay zu Bewusstsein, dass sie neben einem wildfremden Mann im Auto saß. Sie kannte fast alle Bewohner ihrer kleinen Heimatstadt wenigstens vom Sehen. Der Mann am Steuerrad war ihr noch nie begegnet, da war sie ganz sicher. Dieses Gesicht hätte sie bestimmt nicht vergessen.
    In Cliffside, wo jeder jeden kannte, war es ganz natürlich, sich von vorüberfahrenden Wagen ein Stück mitnehmen zu lassen. Aber Lindsay hatte lange genug in New York gelebt, um zu wissen, wie gefährlich es sein konnte, mit Fremden zu fahren. Möglichst unauffällig rutschte sie näher zur Tür.
    »Das fällt Ihnen ein bisschen spät ein«, stellte der Mann ruhig fest.
    Lindsay fuhr erschrocken zusammen. Sie fühlte sich ertappt und hatte zu allem Überfluss auch noch das
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