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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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irgendwie blamiert vor. »Mir scheint, Sie machen es sich selbst ziemlich schwer, Pater?«
    »Ja, ich will sehen, ob ich sonntags mit ruhigem Gewissen in der Kirche beten kann: Herr, wir danken dir für die vergangene Woche …«
    »Warum sollen Sie das nicht?«
    »Man kann Gott nicht für Dinge danken, von denen man zu weit entfernt ist. Der Mensch, der kleine, arbeitende Mensch kann nicht viel sagen … er ist abhängig vom Wohlwollen seiner Arbeitgeber. Aber ich kann etwas sagen … ich habe nur Gott als Chef.«
    »Eine sehr nützliche Einrichtung.« In Dr. Sassens Stimme klang dicker Sarkasmus. Was will der kleine Pater eigentlich, dachte er. Schnüffeln? Die Leute aufhetzen? Die Betriebsleitung mit Beschwerden bepflastern? Habe ich das nötig?
    Pater Wegerich schien Sassens Gedanken lesen zu können. Er griff in die Innentasche seines Rockes.
    »Ich habe eine Empfehlung des Herrn Bischofs bei mir.«
    »Auch der Bischof kennt keinen Flöz«, sagte Dr. Sassen fast grob.
    »Aber er kennt die Not der Herzen, Herr Doktor.«
    »Mein lieber Pater, was soll das alles?« Dr. Sassen legte seine Zigarre in den großen marmornen Aschenbecher. »Meine Zeche Emma II ist ein Musterbetrieb. Wir haben eine vorzügliche Kantine, ich habe einen guten Betriebsrat, die Gewerkschaft ist voll des Lobes über uns, ich unterhalte ein eigenes Lazarett mit zwei Ärzten und einer Schwester, ich baue Siedlungen und Einfamilienhäuser, ich habe einen Kindergarten gegründet, ich mache Betriebsausflüge und wir haben an der Ostsee ein eigenes Ferienheim für unsere Arbeiter. Ich unterstütze die Künstlerschaft des Ruhrgebietes mit Spenden. Ich habe für das Theater einen namhaften Betrag gegeben. Ich habe den Kirchenneubau unterstützt und den Altar gestiftet. Im nächsten Jahr baue ich ein Altersheim für die Invaliden … ich glaube, das ist genug, um am Sonntag zu sagen: Gott, ich habe mich bemüht, dir gefällig zu sein …«
    »Gewiß.« Pater Wegerich nickte. »Aber wenn ich trotzdem darum bitten dürfte, einfahren zu können …«
    »Von mir aus. Sprechen Sie mit dem Personalchef darüber, berufen Sie sich auf mich.«
    Pater Wegerich verabschiedete sich rasch. Auf dem Flur blieb er stehen und sah hinaus auf das weite Zechengelände. Sie haben alles, dachte er. Aber die Unfallquote ist dreimal so hoch wie auf anderen Zechen.
    Am Freitag gellten die Alarmglocken durch den Schacht V. Die Meldung kam von der vierten Sohle. Noch wußte keiner genau, was geschehen war. Im Berg war es ruhig gewesen, die Wettermeldungen waren normal, es konnte sich nicht um ein schlagendes Wetter handeln. Der Fahrsteiger war der erste, der unterrichtet wurde. Mit beiden Schachtförderstellen schickte er einen Bautrupp und dicke Grubenstempel in die Tiefe. Die Betriebsleitung rief im Lazarett an.
    »Ein Strebbruch«, sagte Dr. Pillnitz, als er den Hörer auflegte. »Das Hangende auf einem Teilstück der Sohle Vier war schwerer als die Verkästung. Immer derselbe Mist. Wir werden einige schöne Quetschungen hereinbekommen …«
    Auf den Hof fuhr bereits der Krankenwagen. Dr. Fritz Sassen rannte zur Schachtkaue, gefolgt von dem Obersteiger. Dr. Pillnitz nahm einen kleinen Kasten mit Spritzen vom Tisch.
    »Kommen Sie, Waltraud, nehmen Sie auch noch den Verbandkasten mit!«
    »Aber wir haben doch hier …«
    »Noch wissen wir nichts Genaues. Vielleicht muß ich runter und die armen Kerle vor Ort versorgen.«
    Er rannte hinaus, und Dr. Waltraud folgte ihm mit dem Sanitätskasten. Ein plötzlicher Gedanke durchzuckte sie.
    »Muß Dr. Sassen auch einfahren?« fragte sie ängstlich.
    »Vielleicht …«
    Da rannte sie, als ginge es um ihr Leben.
    Auf Sohle vier, am äußersten Ende des Stollens, arbeiteten in dieser Zeit Kurt und Hans Holtmann. Nur das Licht aus ihren Helmscheinwerfern erhellte die Bruchstrecke. Als die Stempel eingeknickt waren und das Hangende hereingebrochen war, hatte es auch die Lichtleitungen zerrissen. Nach dem Aufdonnern der Steinmassen gellten einige Schreie, dann war es still im Berg. Still und dunkel.
    »So ein Scheißdreck!« schrie Hans Holtmann, als sie sich vor der Staubwolke gegen die Wand drückten und die Hände gegen den Mund preßten. Die Luft blieb einige Sekunden lang weg, die Adern schwollen an den Schläfen und Hälsen. Endlich, endlich war das Gefühl wieder da, ein wenig Sauerstoff zu atmen, durchsetzt allerdings mit Kohlenstaub, der sich ölig und beißend auf die Schleimhäute legte.
    Dann rannten sie zur Bruchstrecke,
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