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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Autoren: Eric Walz
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Keiner von euch?« Sein Blick blieb auf Antipas haften. »Du auch nicht?«
    »Vielleicht, Vater«, antwortete Antipas zögerlich, »wenn du es uns erklären würdest …«
    Antipas krümmte unter dem Gebrüll des Herodes den Rücken wie unter einem Peitschenhieb.
    »Das werde ich auf der Stelle tun«, schrie Herodes. »Folgt mir.«
     
    Theudion blickte hinaus in die Nacht. Das Salzmeer, in dem kein Fisch und keine Pflanze leben konnte, lag ausgestreckt wie eine Leiche vor ihm. Er hasste dieses tote Gewässer. Helles Mondlicht reflektierte vom Gestein des Berges, auf dem die Festung Masada erbaut war, und verlieh dem Wasser einen rötlichen Schimmer. Die Sterne des Firmaments glitzerten auf der spiegelglatten Oberfläche.
    Und doch war das Salzmeer nichts anderes als eine Verlängerung der Ödnis, von der es umgeben war – und ein Symbol für die tödliche Macht des Herodes. Denn sein Vater hatte in den dreißig Jahren als König von Judäa an den Ufern des Salzmeeres einen Gürtel von Festungen errichtet, von denen Masada die größte war, die gewaltigste und unbezwingbarste, ein Manifest seiner Herrschaft. Die Mauern ragten fünf Mann hoch unmittelbar vor dem Abgrund auf, so dass von dort niemand eindringen konnte. Nur ein einziger Pfad wand sich den Berg hinauf, so schmal, dass nicht einmal zwei Esel nebeneinander gehen konnten. Jahr um Jahr waren die Gesteinsblöcke von Tieren und Sklaven hinaufgeschafft worden, jeder Einzelne eine Herausforderung und Gefahr. Tausend Kamele, Pferde und Menschen waren den steilen, hundert Meter hohen Felsen hinuntergestürzt, bevor ganz oben der letzte Stein gesetzt war. Masada nannte sich Festung, es war jedoch eine Stadt nur für Herodes, eine Anlage mit Sälen, Hallen und Gärten, Türmen und Lagerräumen sowie mit Quartieren für Hunderte von Soldaten. Mit erbitterter Kraft war der Berg besiegt worden. Man riss ihn innerlich auf, schlug riesige Quader aus ihm heraus, bohrte tiefe Löcher in ihn hinein und nutzte diese Wunden nun als unterirdische Getreidesilos und Brunnenschächte. Masada konnte nicht ausgehungert werden und nicht verdursten, und seine Mauern konnten nicht stürzen. Masada ließ jeden zurückschrecken, der diese Festung bekämpfen wollte, aber es ging das Gerücht um, dass der Berg sich eines Tages für die erlittenen Qualen rächen werde.
    Da Theudion seinen Vater hasste, hasste er auch Masada und das Tote Meer. Warum musste sein ersehntes erstes Kind ausgerechnet hier das Licht der Welt erblicken?
    Herodias’ Schreie klangen einsam, noch war kein Sohn da, der sie im Schreien ablöste. Theudion konnte es kaum abwarten, ihn auf dem Arm zu halten. Gott, es musste ein Sohn werden. Er würde bei ihm alles anders machen, als es in seiner eigenen Kindheit gewesen war und bis heute anhielt. Neunzehn schreckliche Jahre! Sein Junge sollte eine glücklichere Jugend erleben, dafür wollte er sorgen und um das hatte er den Herrn gebeten.
    Schritte hallten durch die Gänge heran. Noch bevor Theudion sehen konnte, wer sich ihm näherte, spürte er seinen Vater. Wie immer in solchen Augenblicken zogen sich seine Organe zusammen, und sein Herz klopfte heftig.
    Die gewaltige Gestalt seines Vaters stand vor ihm, die Familie im Gefolge.
    »Nun?«, fragte Herodes.
    Theudion wunderte sich über das Interesse seines Vaters; ein ›Nun‹ war mehr, als man erwarten konnte. Nicht einmal bei der Geburt seiner eigenen Kinder hatte Herodes – wie in anderen Familien üblich – im Vorraum gewartet, sondern er war anderen Beschäftigungen nachgegangen. Manchmal, so die Gerüchte, schlief er bei einer Frau, wenn eine andere gerade in den Wehen lag. Und jetzt dieser Aufwand für ein Enkelkind?
    »Sie hat es noch nicht überstanden«, berichtete Theudion.
    »Weiß man schon das Geschlecht des Kindes?«
    »Woher soll ich das wissen? Es ist jedem Mann verboten, die Geburt zu stören.«
    Herodes ging ohne ein weiteres Wort an Theudion vorbei und öffnete die Tür, die zum Geburtsraum führte. Er ignorierte ebenso Theudions Proteste wie auch die entsetzten Mienen der Ammen und Helferinnen. Ein Mann, noch dazu der Schwiegervater, gehörte nicht hierher. Doch wer konnte es wagen, dies auszusprechen! Einige der Frauen warfen Decken über die schamhaften Stellen der werdenden Mutter.
    Herodias blieb nur der Moment eines Lidschlages, um zu erfassen, dass ihr Schwiegervater, ihr Gemahl, ihr Schwager und noch einige mehr sie bei der Geburt beobachteten, dann wurde sie erneut vom Schmerz gepackt
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