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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Autoren: Eric Walz
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und wölbte schreiend ihren Körper hoch.
    »Du beleidigst Herodias«, rief Theudion und stellte sich vor Herodes, um ihm die Sicht zu erschweren, doch dieser Versuch schlug fehl. Theudion war dünn wie sein Bruder Archelaos, wenn auch aus anderem Grund. Während Archelaos fast nur Wein zu sich nahm und deshalb ausgemergelt wirkte, ernährte Theudion sich vorwiegend von geistiger Nahrung. Er las täglich etwa sechs Stunden in den heiligen Schriften und versenkte sich morgens, mittags und abends je eine Stunde ins Gebet. Gegen seinen Vater wirkte er wie eine Ziege vor einem alten Elefanten. Das Einzige, worin er seinen Körper mit dem von Herodes messen konnte, war die Länge und Dichte des schwarzen Bartes, der Wangen und Kinn vollständig bedeckte.
    Herodes schob ihn einfach zur Seite. »Mach dich nicht lächerlich«, brummte er. »Ich habe schon weitaus verführerischere Weiber als deine Frau gesehen.«
    Antipas dachte anders darüber, denn er sah zum ersten Mal eine nackte Frau. Er schob sich, unbemerkt von den anderen, die nur für den Zwist zwischen Vater und Sohn Augen hatten, nahe an das Bett der Herodias heran und starrte sie an. Ihr Gesicht gefiel ihm nicht, denn es war feucht, aufgedunsen und gerötet von den Qualen der Geburt, Brust und Bauch waren mit Laken bedeckt. Anders die Arme, sie waren weiß und glatt und wurden zu beiden Seiten von Ammen gehalten, als wären sie an ein Kreuz geschlagen. Und die Schenkel, so prall und …
    Plötzlich packte Theudion ihn am Kragen und zerrte ihn zur Seite. »Du Kröte! Hast du keine Ehrfurcht vor meinem Weib?«
    »Was Vater darf, darf ich auch.«
    »Antipas«, rief Herodes ihn zur Ordnung, woraufhin Antipas den Rücken krümmte. »Ja, Vater?«
    »Du hast mich doch vorhin gefragt, warum die bevorstehende Niederkunft der Herodias mich interessiert. Nun will ich es dir sagen, euch allen sagen.« Herodes’ linker Arm beschrieb eine weit ausholende Geste, während sein rechter langsam unter sein Gewand schlüpfte. »Die Prophezeiung besagt, dass heute ein Feind der Königreiche geboren werde.«
    »In Bethlehem«, stimmte Antipas ein.
    »Nein, nicht ganz.«
    Eine Frau trat aus dem Pulk des Gefolges hervor: Akme, die Schwester des Königs. Als sie ihre Hand hob und damit Herodes’ bärtige Wange streichelte, klimperten ihre schweren goldenen Armreife, um die sie von den anderen, weiblichen Mitgliedern der herodianischen Familie beneidet wurde. Sie lächelte Herodes mit jenem Ausdruck an, den er offenbar schätzte und den andere an ihr fürchteten. Hatte sie nicht ebenso gelächelt – so ging das Gerede -, als sie ihrem Bruder die angebliche Verschwörung seiner ältesten Söhne zutrug und ihnen damit die Schlinge knüpfte? Als sie einige der Frauen des Königs der Verbannung in die Wüste zutrieb? Nie war jemand dabei, wenn sie ihr Netz webte, und gerade darum war sie allen unheimlich.
    Was sie diesmal zu sagen hatte, konnte allerdings jeder der Anwesenden unterschreiben. »Niemand hier versteht, worauf du hinauswillst, Herodes. Deine Sorge um das Königreich, die Prophezeiung, die Kinder von Bethlehem, dein Befehl, das alles konnten wir noch nachvollziehen. Warum wir nun jedoch hier bei deiner Schwiegertochter stehen …«
    Ein langgezogener Schrei der Herodias unterbrach Akme und lenkte die Aufmerksamkeit für einen Augenblick wieder auf die Tatsache, dass jeden Augenblick ein wunderbares Ereignis stattfinden würde.
    »Es ist so weit«, rief eine der Ammen, und sofort lief jede der Frauen los, um die nötigen Hilfsmittel herbeizuholen. Der Geruch von Blut klebte in der Luft.
    Langsam und sorgfältig, als säße er zu Gericht, erklärte Herodes: »Der genaue Wortlaut des Astrologen besagt, dass der Feind zwischen Bethlehem und Masada geboren wird. Er könnte also auch hier zur Welt kommen.«
    Sein rechter Arm löste sich aus den Falten seines Gewandes, und seine Faust hielt einen Dolch umklammert, den Herodes zur Sicherheit immer bei sich trug. Wie ein Wind zog nun ein vielstimmiges Aufheulen durch den Raum, ein Gemisch aus Angst, Schrecken und ungläubigem Entsetzen.
    Theudion rührte sich einige Augenblicke lang nicht von der Stelle, dann stürzte er sich auf Herodes, doch dieser warf ihn zurück und befahl Antipas, seinen Bruder festzuhalten.
    Herodes beugte sich zum Gesicht seiner Schwiegertochter hinunter, die ihn mit großen Augen anstarrte. Der Schmerz erfasste immer wieder ihren Leib, sie versuchte, Worte zu formen, die ihr in der Kehle stecken blieben, und
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