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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Autoren: Eric Walz
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sie warf ihren Kopf auf dem Kissen hin und her wie ein stummes, heftiges Nein.
    »Solltest du einen Knaben gebären«, raunte Herodes ihr zu, »so ist er des Todes, bevor er den ersten Atemzug machen kann.«
    Herodias rang nach Luft. Ihr Unterleib schien zu zerreißen, ihr Kopf zu zerspringen. Auf ihren Lippen spürte sie den Atem des Herodes.
    »Wenn es hingegen ein Mädchen ist, so soll es leben, denn eine Frau kann niemals das Königreich bedrohen. Bemühe dich also, Herodias, dass es ein Mädchen wird. Bemühe dich um deinetwillen.«
    »Du bist ein Verbrecher«, schrie Theudion. Seine Augen waren wie glühende Kohlen. »Ein wahnsinniger Mörder. Ich hasse dich, Herodes, alle Welt hasst dich.«
    In diesem Moment stieß Herodias einen gewaltigen Schrei aus, um gleich darauf zu verstummen. Kurz danach ertönte ein zweiter Schrei. »Es sind zwei Kinder«, rief die Amme. »Gelobt sei Gott.«
    Herodes beugte sich steif über seine Schwiegertochter. Schließlich trat er einen Schritt auf die Amme zu, die die Neugeborenen, in eine Decke gewickelt, auf dem Arm hielt. Schweigend schlug er die Decke zurück. Seine Hand krampfte sich um den Dolch.
     
    Nachdem Herodes mit seiner Gefolgschaft wieder im Thronsaal war, schritt er die Wandmosaike ab, die im flackernden Licht all das lebendig werden ließen, was er in seinem Leben erreicht hatte. Da war sein Schlachtensieg über die vor ihm herrschende Hasmonäerdynastie, die er mit Stumpf und Stiel ausrottete, um seine eigene Herrschaft zu manifestieren. Gleich daneben sein Treffen mit Kaiser Augustus auf Rhodos, nach dessen Sieg über Kleopatra. Herodes war zuvor mit der ehrgeizigen Königin vom Nil verbündet gewesen, wechselte nach deren Niederlage jedoch bedenkenlos die Seite, um einer Eroberung Judäas durch das Römische Imperium zuvorzukommen. Weitere Mosaike zeigten die Einweihung der Stadt Sebaste, eine von vielen Gründungen, die den neu erworbenen Reichtum Judäas verkörperten; weiterhin die Anlage riesiger Gewürzhaine bei Jericho, deren Duft nicht nur über das halbe Land zog, sondern auch römischen Kaufleuten gefiel. Gleich daneben der Ausbau der gigantischen Festung Masada, in der sie sich jetzt befanden, mit dem Land zu Füßen, das Gott den Juden zugewiesen hatte. Und schließlich das Beste und Vollkommenste, das er geschaffen hatte: der Tempel des Einen Gottes, der wie die Pyramiden der heidnischen Ägypter für die Ewigkeit gebaut war. Der Tempel war das Herz und die Seele der Juden – ihr Kopf war er selbst, Herodes. Alles geschah nach seinem Willen.
    Der heutige Tag war ein Beispiel dafür. Er hätte die männlichen Nachkommen Theudions ohne Zögern getötet, doch das war nicht nötig geworden. Eines der Kinder, ein Junge, war bereits blau und kalt zur Welt gekommen. Das andere, ein Mädchen, war kränklich und schwach.
    »Es wird später schwierig sein, sie zu verheiraten«, brummte er und blickte dem Säugling in die Augen. »Sie hat etwas Glanzloses.«
    »Gib sie mir zurück«, forderte Theudion.
    »Einen Moment noch. Ich werde ja wohl meine Tochter im Arm halten dürfen.«
    »Ich bin der Vater.«
    »Ich weiß, dass du das glaubst. Aber ist dir nie der Gedanke gekommen, dass Herodias und ich …«
    Theudion erbleichte. »W-was sagst du da?«, stammelte er.
    Herodes lachte und lachte. »Ein Scherz, mein Sohn. Wie kann jemand, der so widerspenstig ist wie du, immer wieder auf meine Scherze hereinfallen? Du liest zu viele fromme Bücher, sage ich dir. Das vernebelt den Geist.«
    Theudion knirschte mit den Zähnen und nahm das Mädchen seinem Vater aus den Armen.
    »Übrigens«, fügte Herodes hinzu. »Ich will, dass sie nach meiner Großmutter benannt wird.«
    »Nein«, erwiderte Theudion trotzig und schickte sich an, den Saal zu verlassen.
    »Du wirst sehen, dass es nach meinem Willen geht, wie immer. Sie wird nach meiner Großmutter benannt werden. Sie wird Salome heißen.«
    Als Theudion verschwunden war, ließ Herodes sich auf einen Schemel sinken. Er war bester Laune, wie immer, wenn er einen Sohn getroffen und besiegt hatte. Er wusste genau, was jetzt in Theudion vorging – Fromme waren allzu leicht zu durchschauen. Gott, so dachte Theudion, hatte ihm den ersehnten Knaben vorenthalten, weil er, Herodes, diesen sonst ermordet hätte. Obwohl er den Knaben nicht angerührt hatte, würde Theudion ihm die Schuld an dessen Tod geben. Oh, wie sehr würde der Hass auf ihn wachsen! Und wie oft würde das Mädchen vorgeworfen bekommen, dass es überlebt
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