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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Autoren: Eric Walz
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ohnehin, und verbot es.
    »Das war nicht einfach ein Adler«, wusste Berenike zu berichten. »Mein Vetter Kephallion sagt, Großvater hat ihn dort aufhängen lassen. Der Adler versinn … versinnbild …« – Berenike versuchte angestrengt, sich an den genauen Wortlaut zu erinnern – »ver-sinn-bild-licht die römische Präsenz.«
    Das mochte stimmen. Wann immer die Familie zum Mahl beisammen saß – jede Woche zum Ruhetag, dem shabbat, und an den wichtigsten anderen Feiertagen -, schwärmte Herodes von seiner Freundschaft mit dem Octavianus Augustus, dem Herrn des Römischen Imperiums. Dieser hatte die Dynastie des Herodes sogar ehrenhalber in die julische Herrscherfamilie aufgenommen, und einige seiner Verwandten stellten die Paten für Mitglieder der herodianischen Familie. Über formelle briefliche Höflichkeitskontakte gingen diese Patenschaften zwar nie hinaus, die symbolische Bedeutung war dennoch nicht zu unterschätzen.
    »Mein Vetter Kephallion sagt außerdem«, erklärte Berenike weiter, »dass Herodes unser Land Judäa verrät, wenn er einen römischen Adler vor den Tempel hängt. Fast alle Juden hassen unseren Großvater deswegen, und auch, weil er sich in vielen Dingen nicht an die vorgegebenen Gebräuche unserer Ahnen hält. Wo wir hier wohnen, das ist kein jüdischer Hof, sondern eigentlich ein römischer. Und das ist nicht im Sinne unseres Herrn, sagt mein …«
    Salome zog eine Grimasse. »Mein Vetter Kephallion, mein Vetter Kephallion. Immer dasselbe.«
    Berenike senkte traurig den Kopf, und Salome tat es sofort Leid, dass sie ihrer Freundin wehgetan hatte. Wenn Berenike nur nicht ständig alles nachplappern würde, was sie von ihrem zwei Jahre älteren Vetter vorgesagt bekam.
    »Jedenfalls«, meinte Salome, »ist das noch kein Grund, den schönen Adler kaputtzuschlagen.«
    »Doch, der Adler ist eine bildliche Darstellung, und Darstellungen sind uns Juden von Gott nicht erlaubt worden, sagt mein … habe ich gehört«, berichtigte Berenike.
    Hinter einer Ecke kam eine Gruppe Männer hervor, denen Herodes voranging. Offenbar hatte er wegen des Vorfalls die Zeremonien im Tempel verlassen. Der König musste sich auf einen Sklaven stützen, um bei seiner schweren Gestalt noch selbst gehen zu können. Er verzog schmerzhaft das Gesicht, biss die Zähne zusammen und kniff bei jedem Schritt die Augen zu. Nur die Kraft seiner Stimme hatte er noch nicht eingebüßt.
    »Ich will, dass die drei Lumpen auf der Stelle hingerichtet werden«, rief er. »Sie sollen hängen, so dass es alle sehen. Keine Gerichtsverhandlung, das ist nicht nötig, denn ihr Verbrechen ist das schlimmste überhaupt und bedarf keines Beweises.«
    Einer der Schreiber sah den König erwartungsvoll an.
    »Hochverrat, du Narr«, schrie Herodes, sichtlich empört, dass er das schlimmste aller Verbrechen überhaupt benennen musste. »Was sie getan haben, war kein Anschlag auf den Tempel, es war ein Anschlag auf mich. Verschwörer allesamt, Abtrünnige, Eidesbrecher, Aufrührer …« Herodes unterbrach die Aufzählung der Eigenschaften der drei Zerstörer des Bronzeadlers und hielt inne. Fast hätte er die beiden Mädchen übersehen.
    Mühsam humpelte Herodes einige Schritte zurück und baute sich vor Salome und Berenike auf. Er beugte sich zu den Mädchen hinab und richtete sich dann wieder auf. »Joazar«, rief er.
    Der Hohepriester löste sich aus der Mitte der Gruppe und trat neben Herodes. Wie immer in solchen Momenten bildeten sich kleine Schweißperlen auf seiner Stirn. »Ja, mein …« Er räusperte sich, um weiterreden zu können. »Ja, mein König?«
    Herodes sah den Hohepriester an, was diesen noch nervöser machte, und deutete fragend zu Salome und Berenike hin.
    Jetzt verstand Joazar. »Oh, die mit dem Haarband ist deine Enkelin, Theudions einziges Kind. Und die mit den Locken ist die Enkelin deines verstorbenen Bruders, mein König.«
    »Sie wird einst eine hübsche Frau werden«, bemerkte Herodes. Er ließ offen, welche von beiden Mädchen er meinte, doch die meisten konnten es sich denken. Berenikes Gesicht war wie aus Elefantenholz geschnitzt, auffallend hell, glatt und schimmernd, ihre Augen groß und zauberhaft, ihre Bewegungen schon in diesem zarten Alter frauenhaft anmutig. Salome hingegen sah immer aus, als habe sie gerade eine schlimme Krankheit überstanden. Ihr Haar schien auf dem Kopf festgeklebt, ihre Haut zeigte bisweilen rote Flecken, und ihre ganze Erscheinung wirkte unschön. Ihr Blick aus geröteten Augen
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