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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Autoren: Eric Walz
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flatterte meist unruhig umher, so dass es schien, sie wolle unsichtbare Schmetterlinge einfangen. Das Einzige, was die beiden Mädchen äußerlich gemeinsam hatten, war ihre etwas zu große, typisch herodianische Nase, deren Wurzel weit oben an der Stirn lag, und die schlanke Figur.
    Herodes nickte zufrieden: »Wenn ich noch drei Jahre hätte, würde ich sie zur Frau nehmen.«
    Hier hätte Joazar sofort protestieren müssen, denn nach mosaischem Gesetz waren Verbindungen mit Enkelinnen verboten. Den König jedoch kümmerte das mosaische Gesetz wenig, umso mehr kümmerte Joazar sein eigenes Leben, und er beschränkte sich daher auf ein kaum sichtbares Heben seiner Augenbrauen. »Und welche, mein König?«
    Herodes lächelte, was in den letzten Jahren äußerst selten geworden war. »Diejenige, die weniger Ärger macht«, rief er, woraufhin die Männer einheitlich lachten. »Frauen sind nicht dazu gemacht, Ärger zu stiften. So würde ich also die mit den Locken nehmen. Sie ist vielleicht ein wenig zu vornehm, doch so sind Frauen nun einmal, wenn sie einen prachtvollen Körper haben. Die andere – das sehe ich auf einen Blick – ist wie ihr Vater. Die macht nur Kummer, die würde ich nicht wollen. Außerdem sieht sie unheimlich aus, findet ihr nicht? Als wäre etwas in ihrem Kopf nicht in Ordnung.«
    Erneut brach die Gefolgschaft in Gelächter aus, das Herodes sichtlich genoss.
    »Ich würde dich auch nicht wollen«, sagte Salome unbekümmert und verstand überhaupt nicht, weshalb die Miene ihres Großvaters sich plötzlich wieder verdunkelte.
    »Du unverschämte Göre. Weißt du nicht, dass sich so eine Bemerkung nicht für dich geziemt?«
    Salome kannte die Bedeutung des letzten Wortes nicht, wollte es aber vor Berenike, die so viele Begriffe wusste, nicht zugeben. Daher antwortete sie diplomatisch: »Ich habe nur dasselbe getan wie du, Großvater. Das kann doch nicht falsch sein.«
    Einige Männer lachten nun auch über diese Bemerkung, und das brachte Herodes noch mehr auf. Er zog Salome an ihrem Ohr heran und rupfte ihr mit der anderen Hand an den Haaren. »Da siehst du, was bei uns mit vorlauten Frauen gemacht wird. Ich sollte dir deine hässlichen dünnen Haare abscheren lassen und …«
    Herodes hielt plötzlich inne, krümmte sich und fasste sich an den Bauch. Durch sein Gewand drang Blut. »Das Geschwür ist wieder aufgeplatzt«, rief Joazar und winkte den Arzt herbei. »Bringt den König in den Schlafraum. Rasch.« Salome wurde zur Seite geschubst. Die Beamten ließen Pergamente und Federn fallen und stützten den König, manche riefen Befehle, andere stoben davon. Herodes krallte seine Hände in die Schultern und Arme derer, die ihn so vorsichtig wie möglich auf die weißen Kacheln des Palastbodens legten. Er war jetzt kaum noch Herr seiner Stimme, doch schließlich brachte er einige verkrampfte Laute hervor.
    Während Berenike ängstlich zurückwich, trat Salome näher an den König heran. Sie sah, wie sein Blick in alle Richtungen flackerte und der Mund Worte zu formen suchte. »Ich … ich will …«, stammelte er in das Durcheinander um ihn hinein. Joazar hielt sein Ohr dicht an sein Gesicht und wich im nächsten Moment wieder zurück. Mit einer Urgewalt, die ihm in diesem Moment niemand zugetraut hätte, rief der König: »Richtet die drei Verschwörer hin. Sofort. Sie sollen sterben, bevor ich selbst sterbe.« Dann kamen Sklaven mit einer Trage und brachten Herodes fort.
    Salome und Berenike sahen den Männern nach, die zwischen Säulen und Pilaster verschwanden. Schnell wurde es wieder friedlich, und nur das Gezwitscher der Vögel erfüllte die Frühlingsluft.
    »Er tut mir Leid«, sagte Berenike mit belegter Stimme. »Wir sollten für ihn beten.«
    Salome wunderte sich über dieses Mitleid. Alles, was sie bisher bei ihrem Großvater erlebt hatte, waren Wutausbrüche, Flüche und Trunkenheit. Außerdem, so hatte sie erfahren, hätte er sie beinahe umgebracht, damals, kurz nach ihrer Geburt, und die Vorstellung, dass der dicke, jähzornige Mann bereits den Dolch über sie gehalten hatte, machte ihn in ihren Augen nicht sympathischer. Alle Menschen hatten Angst vor ihm, die Familie, die Priester, die Diener und das Volk, einfach jeder. Nur ihr Vater nicht, der Herodes widersprach, wo er konnte. Für Theudion gab es nur die Thora, das Buch Gottes, die ihm Licht und Luft war. Kein Geld und kein Mensch und nicht einmal sein eigenes Leben bedeuteten ihrem Vater so viel wie die Worte des Herrn, die er in
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