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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
Autoren: Eric Walz
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Mann begehrenswert, und genau das wollte sie ihre Schwägerin wissen lassen. Rasch strich sie noch ein wenig von dem sündhaft teuren persischen Karmesin auf die Lippen, denn diese waren allzu schmal und bedurften eines deutlichen Akzents, und dabei übte sie mit ihren Kulleraugen den treuherzigen Blick, mit dem sie ihre Schwägerin empfangen würde.
    »Was tust du da?«
    Herodias wandte sich nicht zu ihrem Mann um, der unbemerkt hereingekommen war, sondern schenkte ihm nur einen Blick durch das matte Spiegelglas. »Ich nenne es Schönheit schaffen«, erklärte sie.
    »Und ich nenne es Falschheit. Hör auf damit.«
    Herodias’ Lippen zitterten. »Warum? Was soll ich denn den lieben langen Tag sonst tun, außer mich pflegen?«
    »Du könntest mir einen Sohn schenken«, schlug ihr Theudion mit harter Stimme vor. »Dazu bist du offenbar nicht in der Lage – oder willens. Also hast du auch keine Schönheit verdient.« Er riss ihr das Gewand aus den Händen und trat mit seinen Sandalen darauf herum, bis es schmutzig und zerrissen war. »Jetzt kannst du es flicken, du wolltest doch etwas tun.«
    Theudion setzte sich, ohne sie weiter zu beachten, an den Schreibtisch, nahm sich Pergament und begann zu schreiben, wie er es jeden Morgen bis zum frühen Nachmittag tat. Er beschäftigte sich mit nichts und niemand anderem als der thora . Die Abschrift, an der er derzeit saß, war seine vierundachtzigste.
    Herodias hob das zerstörte Gewand auf und wischte damit ihre Tränen von den Wangen. Verlangte sie denn zu viel, wenn sie schön sein wollte? War es eine Sünde, sich Zufriedenheit zu wünschen? Und lag es denn an ihr, dass sie keine Kinder mehr bekam nach diesem grauenhaften Erlebnis bei Salomes und des toten Knaben Geburt? Am Tage begehrte sie nichts sehnlicher als ein weiteres Kind, um das sie sich kümmern konnte, das ihr ein wenig Abwechslung in den luxuriösen, aber immer gleichen Alltag des Palastes bringen würde, und in der Nacht, wenn Theudion auf ihr lag und sich mühte, wenn er ihr einen Klaps versetzte und »Streng dich an« rief, träumte sie von anderen Männern. Ganze Arenen voll von stämmigen, schamlosen, lüsternen Männern waren ihr im Schlaf bereits begegnet, und sie hatte sich unter ihrem Eindruck bisweilen dermaßen im Bett geräkelt, dass Theudion schon misstrauisch geworden war. Die Träume waren stärker als sie, sie konnte sie nicht kontrollieren. Mit einem Mann badete sie nackt in Wannen voll Gold und Perlen, mit einem anderen trieb sie es auf dem Thronschemel des Königs und mit einem dritten gar im Allerheiligsten, im Zentrum des Tempels, wo die Bundeslade stand, das Geschenk Gottes an die Israeliten. Das waren frevlerische Träume, gewiss, doch seit kurzem schämte sie sich ihrer nicht mehr. Sie waren ihre letzte Freude.
    »Vater, Mutter«, rief Salome und stürmte in das Gemach hinein. »Ich weiß etwas, das euch interessiert, ganz bestimmt.«
    »Wie du wieder aussiehst.« Herodias schüttelte den Kopf. Dass Salome sich nicht unwohl fühlte, so wie sie herumlief. Gewiss, sie konnte ja weder etwas für ihre Hautausschläge noch für die reizlosen Haare und den bei der geringsten Anstrengung auftretenden Husten, mit dem sie spätestens in sechs Jahren jeden Mann vergraulen würde. Aber wie Herodias immer sagte: Selbst einem Olivenstumpf kann man noch ein hübsches Kleid überziehen und damit Würde verleihen. Ihrer Tochter jedoch schien es gleichgültig zu sein, wie sie auf andere wirkte. »Deine Tunika ist verrutscht. Du hast auch die falschen Sandalen dazu an. Und das Seidenband hängt lustlos wie ein Trauerflor an deinem Haar herunter. Hat dich jemand in diesem Aufzug gesehen?«
    »Berenike. Und Großvater.«
    Herodias wechselte einen stummen Blick mit ihrem Mann. Seit Monaten stieg die Spannung, denn Herodes’ körperlicher Verfall war offenkundig, und es wurde gemunkelt, er verfasse beinahe wöchentlich ein neues Testament, in dem Fürstentümer, Paläste, Titel, Ämter, Schätze und vor allem der Goldreif des Königs munter vom einen zum anderen gereicht wurden. Herodes’ Erbe zu werden war ein Glücksspiel. Und nun das! Es ging dem Alten also wieder besser.
    »Also«, fragte Theudion ungeduldig. »Was wolltest du uns erzählen?«
    Salome schürzte leicht trotzig die Lippen. »Erst muss ich euch noch etwas anderes sagen. Berenike weiß viel mehr als ich, weil sie ihren Vetter Kephallion hat, der ihr andauernd neue Sachen erzählt. Ich will auch klug werden.«
    Theudion runzelte die
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