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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt
Autoren: Andreas Steiner
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dunkle Gesichtsfarbe, die von einem kürzlichen Urlaub oder regelmäßigen Sonnenstudiobesuchen herrühren mochte.
    Robin strahlte. Interessiert besah er sich Bertholds Wohnung und äußerte sich bewundernd über Einrichtung, Lage und Flair.
    „Du warst ja schon immer ein Ästhet“, bemerkte er. „Echt gemütlich hier. Ich sehe, deine kreative Kraft ist nach wie vor ungebrochen. Irgendwie bist du ein echtes Phänomen.“
    Robin ließ sich gemütlich am Tisch nieder. Sein Blick fiel auf Bertholds Abendbrot.
    „Sehr cholesterinhaltig, was du da isst“, bemerkte er.
    Berthold zuckte mit den Schultern. „Ich kann’s vertragen.“
    „Du bist immer noch sehr dünn“, diagnostizierte Robin. „Hast du dich schon mal internistisch untersuchen lassen?“
    „Mein Hausarzt sagte immer, ich sollte froh sein. Er hält mich für den Prototyp des Urgesunden“, erklärte Berthold.
    „Naja, ob der gerade Ahnung hat ... Aber wenn mal was ist: Frag mich, ich kenne ’ne Menge kompetenter Leute.“
    Berthold witterte gleich Unbehagen. Sofort erinnerte er sich an diese typische Art, in Nebensätzen irgendwelche Besorgnisse zu formulieren, auf die man von selbst nie gekommen wäre, um dann großmütig gleich darauf mit Hilfsvorschlägen zu kommen. Früher war des Öfteren Robins erste Bemerkung nach der Begrüßung gewesen: ‚Mit dir ist was, oder? Kann ich dir helfen?’ oder Ähnliches.
    Gottlob wechselte Robin das Thema. Bald saßen sie beide am Tisch und plauderten von gemeinsamen Erinnerungen. Berthold öffnete ein Flasche Weißwein.
    „Hach!“ sagte Robin zwischen zwei Schlucken, „bei dir zu sein, das ist wie in einer Oase. Der Ort der Ruhe und Behaglichkeit inmitten einer unfreundlichen Welt. Kennst du doch auch, ne? Dass alles einfach nur nervt?“
    „Wem sagt du das!“ sagte Berthold und nippte an seinem Wein.
    „Ich genieße es total, bei einem alten echten Freund zu sitzen und einen Wein zu trinken.“
    Robin bekam feuchte Augen.
    „Irgendwie sind das die Dinge, auf die’s ankommt. Ich arbeite zur Zeit im Sebastianus-Krankenhaus in der Meinhardstraße. Da habe ich fast den ganzen Tag mit Arschlöchern zu tun, glaub’s mir. Interessieren sich für die Kranken nicht die Bohne. Stell dir das mal vor, du wirst da eingeliefert, denkst, du kriegst da geholfen. Pustekuchen! Die lassen dich in deiner Scheiße liegen, wenn sie grad’ keinen Bock haben. Und wenn was schief läuft, dann war’s immer der ‚unkooperative Patient’. Da krieg’ ich das Kotzen. Arrogante Säcke, die von Tuten und Blasen keine Ahnung haben. Vom Blasen noch eher, fast die Hälfte der Typen ist schwul, und die Tussen kriegt fast jeder ins Bett. Das ist nicht meine Welt.“
    Er tat einen tiefen Zug aus seinem Glas.
    „Echt“, fuhr er fort, „eine nette Frau kann man da auch nicht finden. Nicht, dass mir das dort nicht eine Weile Spaß gemacht hätte. Aber irgendwann ist Schluss. Jetzt muss was fürs Leben her. Du weißt genau, was ich meine! Du bist genauso!“
    „Stimmt“, gab Berthold zu. „Leider wollen manche Frauen leider nicht so, wie man will.“
    „Aaaach! Du kennst das, nicht wahr?“
    Robin war voller Männersolidarität.
    „Da kann man echt Höllenqualen leiden. Im Grunde darf man es gar nicht ernst meinen mit der Liebe. Sobald man es tut, ist man verloren. Aber wenn man cool und unnahbar ist, das finden die Damen dann toll. Frauen fahren auf Arschlöcher ab, glaub’s mir!“
    Er ließ sich zum dritten Mal nachschenken. Er grinste plötzlich und unterdrückte ein Kichern. „Da war doch mal eine, pffffrchchch! ...“ (unterdrücktes Prusten) „... die hat sich doch glatt für mich die Muschi rasiert!“ gluckste er. „Das war vielleicht heiß! Vollkommener Kahlschlag! Nicht ein Hälmchen mehr auf dem Hügel! Wie gerupft sah das aus!“
    Oh je. Diese Art von Humor kannte Berthold noch von früher.
    Lachen musste er trotzdem. Pubertäres Geblödel war im Grunde genau das, was er heute brauchte. Aber bei Robin hatte alles einen etwas ekligen Nachgeschmack.
    „Stehst du auf rasierte Muschis?“ kicherte Robin weiter.
    Berthold fühlte Hemmungen, darauf zu antworten. Dann schüttelte er den Kopf. „Muss nicht unbedingt sein“, sagte er, „erwachsene Frauen haben da nun mal Haare. Ist mir zu kindlich.“
    „Ah ja!“ Robin verwandelte sich sofort in einen Professor. „Also, ich schätze so was ja eigentlich auch nicht. Männer, die so ausschließlich auf rasierte Frauen stehen, brauchen ja so was Kindliches, weil
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