Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Wenn's nur das wäre«, flüsterte sie zurück.
    Der zweite Streifenwagen hielt hinter ihnen, und Beier und die uniformierten Polizisten stiegen aus.
    Wie in so 'nem richtigen Polizeistaat, dachte Winter. Abholung im Morgengrauen.
    Aus dem Haus drang kein Laut. Keine Lampe wurde angeschaltet. Bei dieser Beleuchtung ähnelt das Haus noch mehr dem auf Jennies und Helenes Zeichnungen, befand Winter. Die Proportionen verändern sich im Dunkeln.
    Die Polizisten machten sich bereit. Winter klopfte an die Tür, ein hohles Geräusch, das laut in der Stille widerhallte. Winter klopfte noch einmal, aber niemand kam im Nachthemd an die Tür. Er tastete nach der Türklinke, drückte sie nach unten. Die Tür öffnete sich. Winter rief: »Georg Bremer«, aber niemand antwortete.
    Hinter sich hörte er Halders, der Aneta oder einem der anderen zuzischte: »Runter, verflucht!«
    Ringmar stand neben Winter, der Ringmars Atem hören konnte. Ringsum Stille.
    »Wir gehen rein«, ordnete Winter an. Lauter wiederholte er es denen, die hinter ihm standen: »Bertil und ich gehen rein. Zwei Mann bitte zur Rückseite, und Fredrik und Aneta warten hier vorne.«
    Sie betraten den Flur. Es roch nach Erde aus den Zimmern oder vielleicht nach Pferd.
    »Verdammt kalt hier«, zischte Ringmar. »Hat der keine Heizung?«
    Es war kalt. Nicht so kalt wie draußen, aber kalt, als wäre das Haus seit Tagen nicht mehr geheizt worden. Eine feuchte Kälte. Vielleicht war es drinnen kälter als draußen.
    »Er war vier Tage in Haft«, gab Winter mit leiser Stimme zurück.
    »Und seit drei zu Hause«, flüsterte Ringmar. »Da wird er das doch wohl geschafft haben, auch mal im Warmen zu sitzen.«
    Sie standen in der Küche. Winter befühlte die Herdplatte, die unter seiner Hand eiskalt war. Durchs Fenster konnte er die Wiese hinterm Haus sehen. Der Himmel war heller dort, Morgengrauen. Jetzt hörte er den ersten Vogel. Der saß südlich des Hauses. Zumindest klang es für Winter so.
    »Hier unten ist er nicht.«
    »Vielleicht ist er überhaupt nicht da «, meinte Winter. Ringmar antwortete nicht.
    »Wir gehen nach oben«, beschloss Winter und ging zurück, um es den anderen mitzuteilen.
    »Ich komme mit«, verkündete Halders.
    Sie stiegen die Treppenstufen hoch. Jede dritte knarrte. »Georg Bremer«, rief Winter jetzt. Er hielt seine Waffe in der Hand. Auch in Halders' Hand glänzte es von Stahl, als sie oben im Flur standen und ein plötzlicher Mondstrahl auf sie fiel und auf ihre Waffen. Winter folgte dem Lichtstrahl mit den Augen, von rechts nach links. Das Mondlicht drang halb durch den Flur und fiel durch eine Tür in das Zimmer dahinter und schien auf zwei nackten Füßen zu verweilen, die über dem Boden in der Luft schwebten.
    »Verdammt!« schrie Ringmar, der es auch gesehen hatte und vor den anderen durch den Flur rannte. Winter folgte und sah, wie Ringmar die Füße und Beine und damit den Körper anhob, der im Dunkel des Zimmers baumelte.
    »Wo ist der Lichtschalter?«, schrie Halders und tastete an der Wand neben der Tür herum. Das Zimmer schien im Licht der Deckenlampe zu explodieren. Winter zwinkerte und zwang seine Augen hinzusehen. Ringmar hielt den Körper gefasst, der an einem Strick hing, der durch eine grobe, neben der Lampe in die Decke gebohrte eiserne Öse gezogen war. Es war, als brannte sich Winter der Anblick in die Netzhäute, als er in das grelle Lampenlicht starrte.
    Halders versuchte, das Seil über Georg Bremers verfärbtes Gesicht zu ziehen, doch es gelang ihm nicht. Er holte sein Messer heraus und schnitt das Seil ab. Winter und Ringmar fingen den Körper auf und legten ihn auf den Boden. Erst jetzt fiel Winter auf, wie es im Zimmer roch. Aus dem Augenwinkel bemerkte er, dass auch Halders den Gestank wahrgenommen hatte. Sein Gesicht verfärbte sich, wurde kreidebleich und sein kahler Schädel leuchtete, angestrahlt von dem grellen Licht. Winter konnte Ringmars Gesicht nicht sehen, da dieser sich über die Leiche beugte. Da blickte er Winter an und deutete auf etwas an Bremers Brust. Winter entdeckte das Blatt Papier, das Bremer mit Nadeln durch das Unterhemd hindurch in der Haut auf seiner Brust befestigt hatte. Eine der Nadeln hatte sich gelöst, als sie die Leiche herunterhoben, und der Bogen Papier hing lose am Körper. Winter musste den Kopf schräg halten, um den Text, der mit schwarzer Tusche in großen Druckbuchstaben geschrieben war, lesen zu können. ICH HABE DAS KIND GETÖTET. DER HERR ERBARME SICH MEINER SEELE.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher