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Die Schattenfrau

Die Schattenfrau

Titel: Die Schattenfrau
Autoren: Ake Edwardson
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geradeaus über den Parkplatz, zwischen zwei Autos hindurch, wandten sich nach links und vorsichtig weiter auf dem breiten Pfad zu einem breiten Graben, der von einer Kiefer und mehreren Birken teilweise verdeckt war. Der Pfad. Die Techniker hatten einen sicheren Weg markiert, an den sich alle halten sollten.
    Winter hörte ein Auto und blickte sich um. Ein paar Autoscheinwerfer, die nur wenig ausrichteten, nun, da der Himmel langsam hell wurde. Es war Ringmars Wagen. Ringmar stieg aus. Er würde den Zeugen vernehmen.
    Winter wandte sich wieder dem Graben zu. Unten lag eine Frau auf dem Rücken hinter der Kiefer. Er trat näher heran, damit er ihr Gesicht deutlicher sehen konnte. Sie konnte fünfundzwanzig oder dreißig oder sogar fünfunddreißig Jahre alt sein. Ihr Haar wirkte hell, aber das war schwer zu entscheiden, da es feucht war vom Morgentau. Sie trug einen kurzen Rock, eine Bluse und eine Strickjacke. Ihre Kleider schienen nicht in Unordnung zu sein. Sie starrte zu dem fahlen Himmel empor. Winter beugte sich näher über sie und glaubte, die kleinen roten Pünktchen an ihren Ohren und die kleinen geplatzten Äderchen in ihren offenen Augen zu erkennen. Sie war erwürgt worden, vermutete er. Aber er war kein Fachmann. Das Licht der Dämmerung reichte aus, um zu sehen, dass ihr Gesicht verfärbt und geschwollen war. Die Zähne lagen frei, als hätte sie gerade etwas sagen wollen.
    Die Techniker von der Spurensicherung hatten sofort die Gerichtsmedizinerin zum Fundort gerufen. Winter befürwortete das stets, aber er wusste, dass Ringmar dagegen war. Ringmar glaubte, dass die Gerichtsmedizinerin am Fundort, der nur vielleicht auch der Tatort war, unnötige Hinweise erhalten und so zu einer vorgefassten Meinung kommen könnte. Seiner Meinung nach sollte sie einer Leiche erst auf dem Stahltisch in der Pathologie begegnen.
    Winter nickte Pia Erikson Fröberg zu. Sie stand unten im Graben und las ihr Fieberthermometer ab. Es sah aus, als wartete die Tote auf das Ergebnis. Winter konnte die Augen nicht von der toten Frau abwenden. Sie schien den Blick vom Himmel abgewandt und auf Pias routinierte Bewegungen gerichtet zu haben.
    Sie ist in guten Händen, dachte Winter. Ihr Körper ist in guten Händen.
    Er sah sich die Umgebung genauer an. Das war der wichtigste Augenblick bei einer Untersuchung. Die Leiche der Frau lag in der Nähe eines Schilds mit der Warnung »Lebensgefährliche Leitung«. Auf der anderen Seite des Grabens war das Dickicht über dem Moorboden niedrig und dicht, es sah fast undurchdringlich aus. Das Blattwerk schien im Morgendunst zu schweben, war noch ohne Farben. Der Graben lag unmittelbar links von dem Pfad, der einen siebeneinhalb Kilometer langen Rundweg um den See bildete und gleichzeitig nur ein Teil des Bohusleden war. Auf der anderen Seite dieses Jogging- und Spazierwegs lag das Seeufer des Stora Delsjön. Das Wasser schimmerte matt zwischen den Birkenästen hindurch. Winter konnte das andere Ufer sehen. An diesem Ende bildete der See eine Bucht, die sich landeinwärts wölbte. Nebel trieb in Fetzen über dem Wasser. Winter hörte einen Seetaucher und Schreie anderer Wasservögel, die er nicht kannte.
    Plötzlich war es still um ihn herum. Die Geräusche brachen ab, die Vögel verstummten, und das Einzige, was er vernahm, war das schwache Rauschen der wenigen Autos oben auf dem Boräsleden. Der morgendliche Berufsverkehr hatte auf der Schnellstraße noch nicht eingesetzt.
    Eine Stimme sprach ihn an.
    »Bitte?«
    »Acht oder zehn Stunden«, sagte Pia Erikson Fröberg. »Wäre das nicht deine erste Frage gewesen?« »Ich habe sie doch noch gar nicht gestellt.«
    »Jedenfalls hast du jetzt die Antwort. Ich bin nicht ganz sicher, weil die Wärme dafür sorgt, dass die Leichenstarre schneller einsetzt.«
    »Aha.«
    »Ich versuche aber, das zu berücksichtigen.«
    Winter blickte wieder auf das Gesicht der Toten. Es war rundlich. Die Augen standen weit auseinander, der Mund war groß. Das lange Haar wirkte... ungepflegt, aber Winter wollte nicht vorschnell urteilen. So was hing schließlich vom Alter ab, vielleicht auch von der Mode.
    »Sie hat nichts bei sich«, sagte Beier, der noch neben Winter stand. »Gar nichts. Keine Papiere oder Ausweise, nichts.«
    Winter blinzelte wegen der Blitzlichter der Techniker. Das Fotografieren am Tatort würde bald erledigt sein, bis zu den Nacktaufnahmen bei der Obduktion. Zuletzt wäre der Profi im Labor an der Reihe, Kleidungsstück für Kleidungsstück und
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