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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars
Autoren: Frank W. Haubold
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silberne Haut ihres Raumschiffs. Auf dem Rumpf prangte das Sternenbanner und in schwarzen Lettern die Aufschrift: U.S.S.S. »Steve Mancuso«.
    Die Rakete war startklar.
    Mehr als sechs Monate hatten die Jungen daran gearbeitet. Das Projekt hatte Hunderte von Arbeitsstunden und jeden Cent ihres Taschengeldes verschlungen – Geld, das sie in Hotdogs, Kinokarten oder neue Computerspiele hätten anlegen können. Es war ihnen nicht leichtgefallen, auf all diese Dinge zu verzichten, aber sie hatten ihr Wort gegeben, und nur das zählte. Monatelang hatten sie diesem Tag entgegengefiebert, und jetzt, da alles bereit war, hatten sie Angst. Schon bald würde sich zeigen, ob sie ihr Versprechen einlösen konnten – und was, wenn nicht?
    Stille breitete sich aus, als die Sonne hinter den Hügeln versunken war und der Startplatz in den Schatten der Bäume eintauchte. Die Vögel waren verstummt, und der Wind wehte sacht – kaum mehr als ein kühler Hauch, der den Schweiß auf der Haut der Jungen trocknete und sie frösteln ließ.
    »X+5.« Der Professor hatte nicht laut gesprochen. Dennoch fuhr Martin zusammen, fing sich aber sofort wieder und übernahm das Kommando: »Alles auf die Positionen!«
    Die Jungen verließen den Startplatz und suchten hinter einem Felsblock unterhalb des Plateaus Deckung. Martin nahm seine Armbanduhr ab und legte sie auf das Schaltpult: noch zwei Minuten.
    »Zündung klar?« erkundigte er sich bewußt forsch.
    Jeff grinste und hob den Daumen.
    Noch sechzig Sekunden.
    Alle Blicke waren jetzt auf Martin gerichtet. Er bemühte sich, sie zu ignorieren und sah erneut zur Uhr: noch dreißig Sekunden.
    Plötzlich war Martin ganz ruhig. Zum ersten Mal seit vielen Wochen dachte er nicht mehr darüber nach, was alles schiefgehen konnte. Das flaue Gefühl in der Magengegend war verschwunden.
    »10, 9, 8 ...«, wieder die Stimme des Professors, emotionslos wie das Ticken eines Metronoms.
    »... 6, 5, 4 ...« Der Taster des Startknopfes fühlte sich glatt und warm an.
    »... 3, 2, 1, Start!« Wie von einem elektrischen Impuls getrieben zuckte Martins rechter Zeigerfinger nach unten. Das rote Signallämpchen leuchtete auf.
    Weiter geschah nichts.
    Obwohl er wußte, daß es einige Sekunden dauern konnte, bis der Hitzdraht die Zündmischung in Brand setzte, waren seine Nerven bis zum Zerreißen gespannt. Bange Augenblicke vergingen, dann bestätigte ein rasch anschwellendes Zischen den Erfolg der ersten Phase des Zündvorgangs.
    Aufatmend ließ Martin den Startknopf los.
    Er widerstand der Versuchung aufzustehen, um die Triebwerksflamme zu sehen. Das Risiko war zu groß. Wenn die Treibladung jetzt explodierte, konnten ihm die Splitter den Kopf wegreißen.
    Plötzlich änderte das Geräusch seinen Charakter: Das Zischen ging in ein tiefes, bösartiges Fauchen über. Der obere Teil der Rakete begann zu vibrieren. Die zweite, entscheidende Phase des Startvorgangs hatte begonnen.
    Der Widerschein der Flammen tauchte den Startplatz in gespenstisches weißes Licht. Die Vibrationen, die den Rumpf der »Steve Mancuso« erschütterten, wurden stärker. Brüllend kämpfte die Rakete gegen die Kräfte an, die sie am Boden hielten. Die Vibrationen griffen auf das Gerüst über und drohten, es aus der Verankerung zu reißen.
    Jetzt! Martins Rechte schnellte nach vorn und gab die Federklauen frei. Einen endlosen Augenblick lang schien es, als habe der Mechanismus versagt, dann aber erhob sich die »Steve Mancuso« mit quälender Langsamkeit, verharrte wie unschlüssig über den Baumwipfeln und schoß dann wie ein leuchtender Pfeil auf einer weißen Feuersäule in den nachtblauen Himmel.
    Keiner der Jungen sagte etwas. Es gab keine Hurra-Rufe, kein Schulterklopfen und keine Freudentänze. Andächtig schweigend verfolgten sie den Flug des Raumschiffes, das noch immer größer und leuchtender war als alle Sterne am Himmel – und hundertmal schöner.
    Vielleicht ahnte der ein oder andere von ihnen bereits, daß sie etwas erlebten, was so nicht wiederkehren würde. Etwas, an das sie sich noch erinnern würden, wenn sie selbst alt geworden waren, vielleicht sogar so alt wie ihre Eltern heute ...
    Ronny O‘Neill, der jüngste des Teams, sprach schließlich aus, was alle bewegte:
    »Ob Steve es wohl sehen kann – sein Raumschiff?«
    Martin war überzeugt davon, auch wenn er Schwierigkeiten gehabt hätte, seine Vorstellungen in Worte zu fassen. Er dachte noch darüber nach, als etwas geschah: Die Jungen hörten einen dumpfen Knall,
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