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Die Schatten des Mars

Die Schatten des Mars

Titel: Die Schatten des Mars
Autoren: Frank W. Haubold
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des Mundes auf. Der Fremde war kaum fünf Fuß groß und trug einen Umhang, der seinen zerbrechlich wirkenden Körper fast vollständig einhüllte. Seine Stimme klang wie die eines Gleichaltrigen, aber noch war Martin nicht eingefallen, an wen sie ihn erinnerte.
    »Komm doch näher«, forderte der fremde Junge Martin auf, während er sich neben dem Feuer niederließ. »Warum bist du überhaupt weggelaufen?«
    »Du warst das?« In die Erleichterung mischte sich Beschämung. Aber er hatte seinen Verfolger ja nicht gesehen, nur dessen Nähe gespürt ... wenn es tatsäc h lich der Junge mit der Maske gew e sen war, wie kam er dann hierher – in die Schlucht?
    Trotz seiner Zweifel folgte Martin der Einladung des Fremden und setzte sich zu ihm ans Feuer. Vorsichtig näherte er seine Hände den Flammen, konnte aber keinerlei Wärme spüren. Das grüne Feuer war kalt.
    »Frierst du?« erkundigte sich sein Gastgeber halb neugierig, halb belustigt, als sähe er zum ersten Mal, wie jemand versuchte, sich an einem Feuer die Hände zu wärmen.
    Martin schüttelte den Kopf. Nein, er fror nicht, und er fühlte sich auch nicht erschöpft, obwohl er doch lange gelaufen war. Jetzt, da die Gefahr überstanden schien, wollte er natürlich wissen, mit wem er es zu tun hatte und warum der Fremde sein Gesicht verbarg.
    »Die Maske ist ein Symbol«, erklärte der Junge, als hätte er seinen Gedanken erraten. »Es hat eine sehr lange Tradition.«
    Mit dieser Aussage konnte Martin zwar nicht viel anfangen, aber sie nahm ihm ein wenig von seiner Befangenheit.
    »Wo sind wir hier eigentlich?« Seltsam, daß ihm die Fremdartigkeit seiner Umgebung erst jetzt bewußt wurde. »Und wie bin ich hergekommen?«
    »Gar nicht«, versetzte der Fremde mit freundlicher Bestimmtheit. »Aber vielleicht wirst du es nachholen – eines Tages ...«
    Wie meinst du das? wollte Martin fragen, aber dann kehrten die Bilder zurück ... die winzige, blasse Sonne, die roten Felsen, der Sturz in die Tiefe ... ein Traum! Ich träume das alles nur!
    Noch aber verschwamm die Landschaft nicht vor seinen Augen, und das Schwindelgefühl, das diese Erkenntnis üblicherweise begleitete, blieb aus.
    »Du hast recht, Martin«, bestätigte der fremde Junge seine Vermutung. »Morgen früh wird das alles für dich nur noch ein verwirrender Traum sein. Aber daraus solltest du nicht schließen, daß es diesen Ort nicht gibt.«
    Er redet wie ein Erwachsener, dachte Martin, seine Sti m me paßt ü berhaupt nicht zu dem, was er sagt. Und plötzlich fiel ihm ein, woher er sie kannte und er wurde wütend.
    »Du bist nicht Steve!« schrie er empört und hatte Mühe, die Tränen zurückzuhalten. »Steve ist tooot!«
    Es war noch kein Jahr her, daß Steve Mancuso mit seinen Eltern nach Boston gefahren war, um sich ein Spiel der Pats anzusehen. Sie hatten den Wagen vor dem Hotel stehenlassen und waren mit einem Bus zum Stadion gefahren, den jemand mit zwei Kilogramm C4 präpariert hatte. Kurz vor der Abfahrt Wrentham war es dann passiert. Von Nat Saunders, dem Sohn des Leichenbestatters, wußte Martin, daß in den Särgen, in denen man Steve und seine Eltern beerdigt hatte, Sägespäne gewesen waren.
    »Entschuldige. Ich wollte dir nicht weh tun.« Die Stimme des Fremden klang jetzt tiefer, wie die eines Erwachsenen. »Für uns sind Erinnerungen genauso wichtig wie das, was ihr Wirklichkeit nennt. Würdest du deinen Freund gern wiedersehen?«
    »Wen ... Steve?« Überrascht starrte Martin den Maskierten an. Wie sollte das möglich sein?
    »Komm mit«, sagte der Fremde, ohne Martins Frage zu beantworten. »Ich möchte dir etwas zeigen.«
    Etwas zeigen? Dazu müßten wir erst einmal von hier wegkommen, dachte Martin, behielt seine Zweifel aber für sich.
    »Steig ein!« Die vermummte Gestalt deutete mit einer einladenden Geste in Richtung Fluß. Jetzt erst bemerkte Martin das Boot, das dort angelegt hatte. Sein Rumpf glänzte schwarz wie die Oberfläche des Flusses, die Segel schimmerten grünlich, aber das konnte auch der Widerschein des Feuers sein.
    Martin hätte beschwören können, daß es vor ein paar Minuten noch nicht da gewesen war. Zögernd folgte er seinem Gastgeber, stieg aber erst zu ihm ins Boot, als er sich davon überzeugt hatte, daß das zerbrechlich aussehende Gefährt stabil genug war, sein Gewicht zu tragen. Eine Sitzgelegenheit gab es allerdings nicht, so daß Martin gezwungen war, auf den hölzernen Planken Platz zu nehmen, während das Boot ablegte.
    Der Fremde hatte eine
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