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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
Autoren: Sophie Seeberg
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irgendwie nicht so … Ich hätte am liebsten den Kopf gegen eine Wand gehauen. Aber selbst die Wände waren so eklig, dass ich das Bild sofort wieder wegwischte. Zu spät. Vor meinem geistigen Auge lief schon die Szene ab, in der mein Kopf ein gigantisches Loch in der Wand hinterließ und ich mit Dreck und Müll in den Haaren sowie einem blauen Auge wieder auftauchte.
    …
    Reiß dich zusammen! Ich blendete mein albernes Kopfkino, das skurrile Ehepaar Koch und die Müllhaldenwohnung aus, sammelte die letzten Reste Professionalität zusammen und bemühte mich um einen Tunnelblick aufs Kind.
    Es funktionierte.
    Ich ging in die Hocke, um auf Augenhöhe zu sein, lächelte und sagte: »Hallo, Nadja, schön, dass du da bist. Warst du im Kindergarten?«
    Sie nickte.
    Ich bemerkte einen Zettel, der aus ihrer Hosentasche lugte.
    »Hast du im Kindergarten gemalt?«
    Sie dachte kurz nach, folgte dann meinem Blick zu ihrer Tasche und lächelte wieder. Ihre Finger zogen ungeschickt den Zettel aus der Tasche und falteten ihn umständlich auseinander. Nadja schaute auf den Zettel und schien ganz versunken.
    »Zeigst du mir, was du gemalt hast?«
    Sie hielt mir den Zettel hin.
    Eine große gelbe Sonne mit vielen gelben und roten Sonnenstrahlen war zu sehen.
    »Oh, das ist aber eine schöne, große Sonne!«
    Nadja lächelte. »Hell«, sagte sie.
    »Du gehst jetz ins Zimmer! Aber flott, Frollein!«
    Erst war ich mir nicht sicher, wen Frau Koch meinte, aber da drehte sich Nadja schon um und ging aus dem Raum.
    Das war
die
Gelegenheit, doch noch die gesamte Wohnung zu sehen. Ich lief hinter ihr her. »Zeigst du mir dein Zimmer, Nadja? Ja?«
    Frau Koch machte keine Anstalten, mich aufzuhalten. Wahrscheinlich war sie einfach zu froh darüber, dass ich endlich aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Genau wie Nadja.
    Nadjas »Zimmer« war … ein Loch. Ein Loch mit Müll.
    Wenn man genau hinsah, konnte man drei Matratzen erkennen. Auf diesen lagen Tüten, Kleiderstapel und etwas, das aussah wie … altes Obst?
    Es gab kein Spielzeug, keinen freien Platz und kein Fenster. Ich schluckte.
    Nadja setzte sich zwischen einen Topf und eine Tüte mit Kabeln und sah zu Boden. Ich konnte es nicht erkennen, befürchtete aber, dass sich in dem Topf irgendwelche Lebensmittelreste befanden, die womöglich demnächst selbst einen Antrag auf Wohnraum stellen würden.
    »Nadja …? Zeig mir mal, wo das Badezimmer ist, ja?«
    Sie schaute mich fragend an.
    »Na, den Raum, in dem du dir die Zähne putzt. Verstehst du?«
    Sie nickte und öffnete eine Tür neben ihrem Zimmer.
    Ich folgte ihr … Und hätte mich beinahe übergeben.
    Nicht dass das danach irgendwie aufgefallen wäre in diesem Badezimmer … Es stank bestialisch. Ich hatte keine Ahnung, nach was genau, denn etwas Derartiges hatte ich noch niemals gerochen.
    Ich hielt es nur ein paar Sekunden im Türrahmen dieses Raumes aus. Länger war es mir einfach nicht möglich.
    Aber diese kurze Zeit reichte aus, um zu erkennen, dass die Badewanne voll war mit … Dingen. Es war wirklich alles Mögliche darin zu finden: Kleidung, Töpfe, volle Windeln, überdimensionale Dosen mit Erbsensuppe, eine Fritteuse, abermals Kabel (was taten diese Menschen eigentlich mit all den Kabeln?) und Küchenabfälle (zumindest glaube ich, dass es welche waren).
    Ich ging schnell zurück in Nadjas Kinderzimmer, dessen Anblick nun geradezu erholsam auf mich wirkte.
    Nadja folgte mir, ging aber noch einmal hinaus und kam dann mit einer Zahnbürste zurück. Diese Zahnbürste sah aus, als wäre sie ausrangiert und zur Putzbürste für Fugen oder Ähnliches umfunktioniert worden. Sie war dreckig, hatte kaum noch Borsten, und die wenigen standen in alle Himmelsrichtungen ab. Nadja hielt mir stolz die zerrupfte Bürste entgegen. »Unsere Zahnbürste!«
    Ich versuchte zu lächeln. Offenbar gelang es mir, denn Nadja lächelte zurück, ging zu einem Berg mit Zeug in der hinteren Ecke des Zimmers, wühlte kurz darin und kam dann strahlend zu mir zurück. Sie hielt mir einen halben Teddy hin. Er war wohl einmal hellbraun gewesen. Jetzt war er übersät mit unterschiedlichen dunklen Flecken und hatte offenbar vor kurzem zu lange in zu viel Alkohol gelegen. Der Geruch war fast schon angenehm, weil er kaum Anteile von Exkrementen und vermoderten Lebensmitteln enthielt.
    »Mein Teddy«, sagte sie schüchtern.
    Es ist wirklich absolut nichts gegen einen halben Teddy zu sagen, wenn ein Kind ihn liebt und er seinen Zweck erfüllt. Aber
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