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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
Autoren: Sophie Seeberg
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nach »Arbeit« aus, aber er erklärte mir, dass das Schreiben seine allerliebste Beschäftigung sei und es ihm dabei und danach immer gutgehe. Beeindruckt davon, fing ich auch schon als Schulkind damit an und stellte fest, dass es mir ebenso guttat.
    Nachdem ich einem guten Freund in mehreren E-Mails von dem einen oder anderen skurrilen Fall erzählt hatte, sendete er sie schließlich ungefragt an eine befreundete Lektorin. Meine ursprüngliche Fassungslosigkeit über diese infame Tat schlug schließlich um in Überraschung, denn die Lektorin war sehr angetan und schlug mir vor, ein Buch aus meinen Erfahrungen zu machen.
    Nun ist es eine Sache, einem Freund etwas zu mailen, aber eine ganz andere, für viele fremde Menschen zu schreiben. Meine Sorge war – und ist – groß, dass man mir vorwirft, dramatische Fälle nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit zu behandeln.
    Glauben Sie mir, das war und ist nicht der Fall. Während ich an Fällen arbeite, gehe ich ernsthaft und mit großer Sorgfalt vor. Den Blick für Skurrilitäten krame ich immer erst nach Feierabend hervor.
     
    Die Familien in diesem Buch sind in keinem Fall ein direktes Abbild unserer Gesellschaft.
    Natürlich präsentieren sich mir diese Fälle in konzentrierter Form, denn niemand braucht eine Gerichtsgutachterin, um festzustellen, dass die Wohnungen sauber und die Kinder glücklich sind.
    Und seien Sie versichert: Einer auf den ersten Blick erschreckend großen Anzahl an demotivierten Jugendamtsmitarbeitern, ignoranten Anwälten und unfähigen Richtern steht in der Tat eine Legion an großartigen Fachkräften gegenüber, die hervorragende Arbeit leisten und so tagtäglich die Zukunft unzähliger Kinder retten und die Lebensumstände für viele verzweifelte Menschen entscheidend verbessern.
     
    Sie passieren also jetzt den »Point of no Return«, ab diesem ich keine weiteren Warnungen mehr aussprechen werde.
    Sollten Sie bei der Lektüre doch hin und wieder zweifeln, lesen Sie bitte dieses Vorwort noch einmal durch. Sie wurden hiermit gewarnt.
     
    Sophie Seeberg, August 2013

Ein ganz normaler Tag

09 : 00  Uhr
    Gespräch im Jugendamt mit einer Mitarbeiterin, die ich schon von einigen gemeinsamen Fällen her kenne. Sie ist engagiert, schreibt hervorragende Berichte und hat immer das Wohl der Kinder im Blick. Zudem wirkt sie stets rundum positiv, verfügt über einen tollen Humor, und man hat den Eindruck, als könne sie nichts erschüttern. Am Ende des Gesprächs berichtet sie mir launig, dass sie wegen Burn-out, Depressionen und Alkoholproblemen in stationärer Behandlung war, nun aber wieder alles gut sei und sie wieder richtig loslegen könne. Plötzlich wirkt ihr selbstsicheres Lächeln für mich aufgesetzt, und ich bemerke, dass sie zittert. Als sie lacht, weht eine Alkoholfahne zu mir herüber, und ich hoffe, dass sie von ihrem Mundwasser herrührt.

11 : 00  Uhr
    Telefonat mit der zuständigen Erzieherin eines Geschwisterpaares im Grundschulalter, das im Heim lebt, nachdem sich die Eltern nicht mehr um sie kümmern konnten. Der Vater befindet sich im Drogenentzug, die Mutter ließ sich psychiatrisch behandeln, weil sie unter Depressionen litt. Sie hat mir außerdem gestern im persönlichen Gespräch mit ruhiger Stimme und wohlformulierten Argumenten erklärt, warum sie möchte, dass ihre Kinder wieder zu ihr ziehen. Gegen Ende des Gesprächs wechselte eine Krankenschwester die Bandagen, unter denen die frischen Wunden des dritten Selbstmordversuchs verheilen. Der Vater hätte auch gerne die Kinder bei sich, kann sich aber weder an die Namen noch das Alter der beiden erinnern. Er ist sich aber ganz sicher, dass es zwei waren.

14 : 00  Uhr
    Termin in einer Grundschule. Es geht um einen verhaltensauffälligen acht jährigen Jungen und die Frage, ob ein Wechsel auf eine Schule mit besonderen Fördermöglichkeiten sinnvoll beziehungsweise notwendig ist. Im Rahmen der Begutachtung steht auch ein Gespräch mit der Lehrerin des Jungen und der Rektorin der Schule an.
    Normalerweise sind Gespräche mit Fachleuten kaum bemerkenswert, eher angenehm und finden in den immer gleichen Besprechungszimmern statt, in denen sich ein runder Tisch befindet, auf dem Kaffee steht, zu dem es Süßstoff und »Kaffeeweißer«, also Milchpulver, gibt. Nicht so dieses Mal.
    Die ca. sechzig jährige Lehrerin empfängt mich mit einem kurzen bunten Kleidchen und verschiedenfarbigen Overknees. Sie hat rote Zöpfe und wahnsinnig viele Sommersprossen. Während ich noch
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