Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
Autoren: Sophie Seeberg
Vom Netzwerk:
RTL II -Frauentausch-Parodie.
    Ihr sechs Jahre älterer Bruder, Dewid, lebte bei seinen Großeltern väterlicherseits im Harz. Dewid … Wenn man es laut liest, weiß man, welcher Name sich eigentlich dahinter verbirgt. Und auch dieser wurde genau so geschrieben, wie ihn seine Eltern aussprachen: Dewid. Tatsache.
    Wahrscheinlich hieß der zuständige Standesbeamte Üffes und hatte im Laufe der Jahre einen perfiden Sinn für Humor entwickelt, weil er sich ständig die urbane Legende vom Üffes anhören musste, der eigentlich Yves heißt, von seinen Eltern aber »Üffes« genannt wird, weil die eben nicht wissen, dass Yves französisch ist und entsprechend ausgesprochen wird. Ich stelle mir vor, wie Üffes, mittlerweile Anfang vierzig, da hinter seinem dunkelbraunen Schreibtisch sitzt, der immer ein bisschen wackelt. Egal wie viele Bierdeckel Üffes Schneider – er hat sicher einen ganz langweiligen Nachnamen – darunterlegt, immer wackelt der Tisch ein wenig, ohne dass herauszufinden ist, wo genau die Ursache dafür liegt. Vielleicht hat sich der Tisch im Laufe der Jahre schlicht und ergreifend der Persönlichkeit seines Besitzers angepasst. Und weil sein Leben aus schlechtem Kaffee, einer unbefriedigenden Schwärmerei für die Dame, die in der Kantine an der Kasse sitzt, und dem ewigen Gewackel seines Schreibtischs besteht, begann Üffes Schneider eines Tages damit, bei der Anmeldung Neugeborener jeden, aber auch wirklich
jeden
Namen anzunehmen und keinerlei Korrekturen bezüglich deren Schreibweise vorzuschlagen. Im Gegenteil, er ging sicherlich irgendwann dazu über, den Leuten einzureden, dass man gewisse Namen tatsächlich so schreibe, wie man sie spreche. Das ist zwar niederträchtig vom Herrn Schneider und auch gemein, den wehrlosen Kindern gegenüber, aber ein bisschen tat er mir auch leid …
     
    Aber nun zu Schakkeline beziehungsweise ihrer Mutter, Frau Höffers: Sie hatte nie mit Schakkelines Vater (dem Mann nach Dewids Vater) zusammengelebt, aber ihre Tochter hatte Kontakt zu ihm und auch zu dessen Eltern. Immerhin. Die Großeltern und der Vater schienen den Berichten des Jugendamtes und der Schule zufolge nicht ganz unfähig zu sein, so dass ich die Hoffnung hegte, Schakkeline dort unterbringen zu können. Denn, wie sich spätestens im Laufe der Interaktionsbeobachtung herausstellte, tat die Mutter dem kleinen Mädchen keineswegs gut – im Gegenteil.
    Frau Höffers hatte dreifarbige Haare und ein Zungenpiercing, das den Blick ganz wunderbar auf ihren Mund lenkte, so dass man die verfaulten Zähne und den ständig vorhandenen Speichelfaden im Mundwinkel immer vor Augen hatte. Warum eigentlich? Ich habe mich wirklich bemüht wegzusehen, aber es war kaum möglich. Wenn ich es mir recht überlege, ist dieses Zungenpiercing in Verbindung mit verfaulten Zähnen ebenso typisch wie der Geruch der Wohnungen. Jedes Mal nehme ich mir vor zu googeln, ich meine natürlich: zu recherchieren, ob vielleicht Piercings zu verfaulten Zähnen führen können. Wenn aber zuerst die braunen Stumpen da waren, ist es dann nicht einigermaßen dämlich, dann auch noch durch eine Glitzerkugel darauf hinzuweisen?
     
    Im Einzelgespräch berichtete mir Frau Höffers, dass Schakkeline nach den Sommerferien noch einmal die erste Klasse wiederholen solle. Die Lehrerin habe gesagt, sie könne noch nicht genug, um mit ihren Klassenkameraden in die zweite Klasse zu gehen, und müsse noch einmal von vorne anfangen. Sie habe das ihrer Tochter so weitergegeben, woraufhin diese »voll rumgeheult« habe. Es war offensichtlich, dass Frau Höffers keinerlei Verständnis für ihre Tochter hatte. Auf meine Frage, wie sie denn auf ihr Weinen reagiert habe, schaute mich Schakkelines Mutter leer an: »Wie jetz?«
    »Na ja, haben Sie etwas zu ihr gesagt? Sie getröstet?«
    Man konnte Frau Höffers zugutehalten, dass sie angestrengt in ihren Erinnerungen kramte und versuchte, etwas hervorzuholen, was als passende Antwort angesehen werden konnte. Schließlich wurde sie fündig und grinste mich samt braunen Zahnstumpen, Piercing und Speichelfaden im Mundwinkel an, als hätte ihr jemand eröffnet, dass sie gerade die goldene Fritteuse gewonnen hatte, und sagte stolz: »Na, ich hab ihr gesagt, sie soll da mal nicht so blöd rumheulen.«
    Da ich wohl nicht mit der Begeisterung reagierte, die sie erwartete hatte, fügte sie hinzu: »Und dann hab ich ihr gesagt, dass sie ja später wieder eine Klasse überspringen kann. Hab ich ja auch gemacht.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher