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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
Autoren: Mo Yan
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der Göttin. Ja, in der Not legt man sich dem Buddha zu Füßen, wie man bei einer Krankheit den Arzt ruft. Warte, bis ich die Göttin um Hilfe angefleht habe. Sie wird ihre magischen Kräfte walten lassen. Sie wird dir Glück bringen und dich in letzter Minute dem Tod entrinnen lassen.
    Im Höhlentempel der Göttin war es stockfinster. Nur ein paar Fledermäuse hörte man mit den Flügeln gegen das Dach schlagen. Nein, stellte ich erleichtert fest, es waren keine Fledermäuse, sondern nur Schwalben. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit, und ich bemerkte, daß vor der Statue der Göttin einige Bettler auf dem Boden lagen. Der Gestank von Exkrementen und verdorbenem Essen stach mir in die Nase, und mir wurde speiübel. Hochverehrte Göttin, was müssen die Euren wohl verbrochen haben, um mit diesem Gesindel unter einem Dach wohnen zu müssen? Diese Leute sind wie die Schlangen zu Beginn des Frühlings, wenn sie erst stocksteif hingestreckt daliegen, um sich dann träge emporzuwinden. Einer der ergrauten Bettler mit den tiefliegenden roten Augen wandte sich mir mit triefender Nase zu, spuckte vor mir aus und rief: »Unheil, Unheil, wahres Unheil! Die Augen öffnen, um einen Dämon zu erblicken!«
    Und das Diebesgesindel um ihn herum begann ihn zu imitieren. Alle spuckten sie vor mir aus und echoten wie die Papageien: »Unheil, Unheil, wahres Unheil! Die Augen öffnen, um einen Dämon zu erblicken!«
    Wie ein Blitz sprang ein Affe mit rotem Hintern auf meine Schulter und ließ mich vor Schreck tausend Tode sterben. Ich hatte mich noch nicht erholt, als das Biest in meinen Korb langte und sich das Hundebein schnappte. Mit einem Satz sprang es auf den Altar und im nächsten Moment hockte es schon auf der Schulter der Göttin. Ich hörte die Kette um seinen Hals rasseln. Sein Schwanz fegte wie ein Besen über den Boden und wirbelte dabei gehörig Staub auf, der mich in der Nase kitzelte: Ha  – tschi! Du verdammter Affe, Bestie in Menschengestalt! Grimassenschneidend hockte er auf der Schulter der Göttin und nagte an meinem Hundebein. Mit seinen schmutzigen Pfoten verunreinigte er die Statue. Doch die Göttin zeigte weder Wut noch Ärger, duldsam und milde blieb ihr gnadenvolles Antlitz. Doch wenn die Göttin nicht einmal Macht über einen solchen Affen hatte, wie sollte sie fähig sein, das Leben meines Vaters zu retten?
    Vater, ach Vater, du bist von so unglaublicher Verwegenheit, du bist wie ein Wiesel, das ein Kamel sein möchte. Du mußt immer gleich mit dem Kopf durch die Wand! Und jetzt forderst du Himmel und Erde heraus, so daß selbst die Kaiserinwitwe Cixi deinen Namen kennengelernt und der deutsche Kaiser Wilhelm von deinen Großtaten erfahren hat. Früher warst du nur ein einfacher Mann des Volkes, ein vagabundierender, stammelnder und stinkender Nichtsnutz von einem Schauspieler. Mit diesem ganzen Aufruhr hast du immerhin erreicht, daß du nicht als ein Niemand aus dieser Welt scheiden wirst. Aber hast du nicht dereinst gesungen: »Lieber ein Leben in Müßiggang, als drei Tage Ruhm und Lobgesang«? Vater, dein halbes Leben lang hast du Opernrollen gesungen, immer bist du in die Rollen anderer geschlüpft. Diesmal wirst du selbst Teil deines eigenen Schauspiels sein.
    Die Bettler umzingelten mich, einige streckten mir ihre schmutzstarrenden Hände entgegen, andere entblößten ihre von Geschwüren übersäten Bäuche. Feixend standen sie um mich herum, verhöhnten mich mit seltsamen Tönen, lautem Gesang und wildem Stöhnen, mit Wolfsgeheul und Bärengebrumm.
    »Hab ein Herz, gute Schwester Zhao, Frau Xishi mit dem Hundefleisch, für zwei kleine Kupfermünzen, gehst du ein ins Himmelreich. Gibst du mir nichts, will ich auch nichts, doch deine Familie ist dahin mit einem Streich ...!«
    Mit lautem Gebell und Geheul stürzten sie sich wie die Hunde auf mich, zwickten mich ins Bein, kniffen mir in den Hintern, faßten mir an die Brust ... sie fischten im trüben, zogen an den Ranken, um an die Kürbisse zu kommen, und hatten ihren Spaß mit mir. Als ich fliehen wollte, hielten sie mich fest, umklammerten meine Taille. Ich wandte mich an den Achten Zhu, den ich erkannt hatte. »Achter Zhu, Achter Zhu!« Statt mir zu helfen, hatte er plötzlich ein Bambusstöckchen in der Hand und stach mir damit ins Knie, so daß mir die Beine versagten. Höhnisch sagte er: »Steht in der Tür ein fettes Schwein, mußt du's fressen, ob groß oder klein! Los Kinder, das Fleisch, das Exzellenz Qian gekostet hat,
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