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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
Autoren: Mo Yan
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sondern auf das Wasser«. Und du siehst über die Liebesdienste hinweg, die ich dir drei Jahre lang als Patenkind im Bett erwiesen habe. Willst du dich nicht daran erinnern, daß du drei Jahre lang bei mir Wein getrunken und fettes Hundefleisch gegessen und so oft meinen Arien der Katzenoper gelauscht hast? Ich wärmte für dich den süßen Wein, briet dir das Fleisch und gab mich dir hin auf dem gemauerten Kang; besser habe ich dir gedient, Herr Präfekt, als dem Kaiser selbst. Ja, Herr Präfekt, ich überließ dir zu deinem Vergnügen diesen Körper, der zarter ist als Seide aus Suzhou und süßer als Zuckerbonbons aus Guangdong, unzählige Male habe ich dich in Ekstase versetzt, unzählige Male dich zum Heiligen gemacht  – warum kannst du meinen Vater nicht freilassen? Warum mußtest du mit diesen deutschen Teufeln kollaborieren, meinen Vater gefangennehmen und mein Dorf niederbrennen? Hätte ich früher gewußt, was für ein herzloser und ignoranter Kerl du bist, ich hätte den Wein in den Abort geschüttet, das Fleisch in den Schweinetrog gekippt, meine Gesangskunst den Wänden dargeboten und meinen Körper einem Hund gegeben ...

2.
    Das wiederholte Klappern des Nachtwächters verkündete den Tagesanbruch. Nach dem Aufstehen zog ich mir frische Kleider an, wusch mir das Gesicht, puderte mich, strich mir Rouge auf die Wangen und besprenkelte mein Haar mit duftendem Zimtöl. Ich fischte ein gut gekochtes Hundebein aus dem Topf und wickelte es in ein getrocknetes Lotusblatt. Mit dem Bambuskorb in der Hand schritt ich zur Tür hinaus, dem im Westen untergehenden Mond entgegen, über die blaugepflasterte Straße zur Präfekturverwaltung. Tag für Tag machte ich mich nun auf den Weg, doch nie wurde ich zum Besuch des Gefangenen vorgelassen. Qian Ding, du Bastard, wenn ich dir sonst einmal drei Tage lang kein Hundefleisch gebracht habe, hast du gleich diesen kleinen Mistkerl Chunsheng als Boten zu mir geschickt, und jetzt versteckst du dich und willst mich nicht sehen. Sogar Wachen hast du vor der Präfekturverwaltung aufgestellt, mit Luftgewehren und Bögen bewaffnet. Normalerweise grüßen sie mich, kaum daß sie meiner gewahr werden, sie verbeugen sich und würden sich am liebsten vor mir in den Staub werfen. Jetzt aber verziehen sie ihre Hundemäuler zu wilden Grimassen, um mir Angst einzujagen. Und auf einmal hast du auch noch vier deutsche Soldaten mit ausländischen Gewehren vor dem Yamen postiert. Sobald ich mich mit meinem Korb nähere, fuchteln sie mir mit ihren Bajonetten vor der Brust herum. Sie blecken die Zähne zu einer Grimasse, die sagen will, daß mit ihnen nicht zu spaßen ist. Qian Ding, ach Qian Ding, du Verräter! Warum läßt du dich mit den Ausländern ein? Ich bin so wütend, ich würde am liebsten beim Kaiser in der Hauptstadt eine offizielle Beschwerde gegen dich vorbringen. Du hast bei mir Hundefleisch gegessen, ohne zu zahlen, hast eine verheiratete Frau verführt. Qian Ding, ich bin drauf und dran es zu wagen, alles daranzusetzen, um dir dein Tigerfell über die Ohren zu ziehen. Alle sollen das wahre Gesicht des herzlosen und gleichgültigen Bösewichts sehen, der du bist.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als meinen Korb zu nehmen und kehrtzumachen. Hinter meinem Rücken hörte ich, wie mich die Wachleute verspotteten. Ihr treulosen und undankbaren Bastarde, habt ihr vergessen, daß ihr einst meinem nun zum Sterben verdammten Vater gefolgt seid und vor mir den Kotau machtet? Hätte ich mich nicht für dich eingesetzt, du armseliger kleiner Strohsandalenverkäufer, hättest du dann diesen Posten bekommen, an dem du ein Luftgewehr tragen darfst und ein sicheres Einkommen hast? Und du, Shunzi, wie wärst du ohne meine Hilfe zum Bogenschützen avanciert? Früher hocktest du als Bettler mit deinem Blechnapf im kalten Winter auf dem Boden! Ich habe mich für dich engagiert, ich habe mich vom Polizeibeamten Li Jinbao küssen und mir den Hintern betatschen lassen, ich habe mich auch küssen lassen vom Inspektor Su Lantong! Und ihr wagt es, euch über mich lustig zu machen, eure alte Freundin zu verspotten, mich von oben herab zu behandeln. Ihr Hurensöhne, selbst wenn ich zum Skelett abgemagert wäre, würde ich euer Fleisch nicht anrühren, und lieber würde ich im Vollrausch sterben, als euch einen Tropfen Wein zu verkaufen. Wartet nur, bis ich wieder zu Kräften gekommen bin. Ich werde mir euch vorknöpfen, einen nach dem anderen!
    Ich kehrte der Präfekturverwaltung den Rücken zu und
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