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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)
Autoren: Mo Yan
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ging zurück nach Hause. Vater, du unverbesserlicher alter Lustmolch, der du nun schon auf die Fünfzig zugehst, wärst du nicht besser weiterhin mit deiner Katzenoperntruppe durch die Straßen gezogen? Hättest du nicht weiterhin Kaisern, Generälen und Ministern deine Stimme verleihen, dich als Gelehrter oder Hofdame verkleiden können? In der Rolle des verliebten Gimpels hättest du dein Auskommen gehabt. Du hättest dich notfalls auch von streunenden Katzen und Hunden ernähren, den Schnaps trinken können, den man dir anbot. Dann hättest du dich satt und zufrieden gefühlt in einer Schar zwielichtiger Freunde. Du wärst über kalte Mauern geklettert und hättest auf irgendeinem warmen Kang geschlafen, hättest das Schicksal genommen, wie es kommt, und wärst ein unsterblicher Bohemien geblieben. Aber nein, du mußtest es allen zeigen, mußtest wilde Reden schwingen, Worte benutzen, wie sie kein Räuber in den Mund nimmt, und Dinge wagen, die kein Bandit wagen würde. Du mußtest den Amtsdiener beleidigen und den Kreispräfekten provozieren! Selbst nachdem das Bambusrohr zerbrochen war, mit dem man dir die Schläge verpaßte, hast du das Haupt nicht gebeugt und nicht nachgegeben. Sogar den Bart haben sie dir ausgerissen, wie einem Hahn, dem man die langen Federn ausrupft, wie einem Hengst, dem man den Schweif stutzt. Damit war erst einmal Schluß mit dem Operngesang auf der Straße, und du hast ein Teehaus eröffnet. Auch gut! Damit hättest du den Rest deines Lebens geruhsam verbringen können. Wer hätte wissen können, daß du deine Frau nicht unter Kontrolle hattest und sie allein ausgehen ließt? Dadurch wurde die ganze Katastrophe ausgelöst. Man hat sie angefaßt  – na und, nichts weiter. Hättest du nicht deinen Ärger hinunterschlucken können und dich benehmen können wie ein braver Bürger, für den das Ertragen seines Schicksals ein Glück ist und Geduld den Seelenfrieden bringt? Nein, du hast einfach deinem Impuls nachgegeben, hast den deutschen Techniker mit dem Stock verprügelt und damit grenzenloses Unglück auf dich gezogen! Selbst der Kaiser fürchtet den Deutschen, doch du meinst, niemanden fürchten zu müssen. Du hast die Katastrophe heraufbeschworen und ein Blutbad provoziert, bei dem siebenundzwanzig Menschen starben, auch deine Frau und deine Kinder. Aber als hättest du noch nicht genug Unheil angerichtet, gabst du keine Ruhe und hast dich sofort mit den aufständischen Boxern verbündet. Du hast einen Altar errichtet, ein großes Brimborium veranstaltet und dich zum Anführer der Revolte gemacht. Eine Truppe von tausend Mann wurde aufgestellt. Mit geschulterten Gewehren, Säbeln und Speeren in der Hand haben sie Eisenbahnschienen herausgerissen, Ausländer getötet, Hütten in Brand gesteckt und sich wie die großen Helden aufgespielt, und am Ende wurde ein ganzes Dorf zerstört, einfache Leute wurden ins Unglück gestürzt. Und du wurdest ins Gefängnis geworfen und grün und blau geschlagen ... Mein Vater, wer hat dir bloß das Hirn mit Schweineschmalz verkleistert? Worauf hast du dich da eingelassen? Hat eine Fuchsfee von dir Besitz ergriffen oder ein Wiesel dir den Geist verwirrt? Selbst wenn die Deutschen Schienen verlegt und die Harmonie von Wind und Wasser in unserer Heimat Gaomi zerstört haben, so haben sie doch unserer eigenen Familie nichts angetan. Warum mußt du dann deinen Kopf riskieren? Diesmal hast du es geschafft. Du hast den Lockvogel für ihre Gewehre abgegeben und sie gleich fette Beute machen lassen. Das nennt man: »Wenn die Sojabohnen gar sind, kommen alle zum Essen; wenn der Topf explodiert, bleibt man mit seinem Pech allein.« Vater, mit diesem Aufstand bist du einfach zu weit gegangen. Du hast den Hof gegen dich aufgebracht und die Großmächte provoziert. Ich habe gehört, daß der Gouverneur unserer Provinz, Yuan Shikai, der Große Yuan, gestern abend in einer Sänfte mit acht Trägern Einzug in den Yamen gehalten hat. Und der befehlshabende General von Jiaozhou, Knobel, ist auf einem großen, ausländischen Pferd, in blauer Uniform und mit einem Mausergewehr bewaffnet, direkt in den Yamen der Kreisverwaltung eingeritten. Der bärtige Bogenschütze Sun, der Wache hielt, wollte sich ihm entgegenstellen, woraufhin der ausländische Teufel ihm einen Peitschenhieb versetzte. Sun wich ihm zwar aus, doch er war nicht schnell genug, und nun zieht sich eine fingerbreite Wunde über sein großes Ohr. Vater, diesmal wirst du ihnen nicht entkommen können. Diesmal
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