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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
Autoren: Margit Sandemo
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hineinzutragen. Er hatte zu ihr gesprochen.
    Andreas war der erste attraktive Mann, den sie zu Gesicht bekam. Kultiviert, mit angenehmer Stimme und höflichen Manieren. Für Hildes unerfahrenen Geschmack war er ein prachtvolles Wunder. Aber Andreas Lind vom Eisvolk machte auch in den Augen anderer Leute keine schlechte Figur, obwohl er vielleicht nicht gerade außergewöhnlich war. Er war von kräftiger Gestalt wie sein Vater und sein Großvater, hochgewachsen, mit breiten Schultern und einem ausdrucksvollen, gutmütigen Gesicht. Seine dunklen Haare und Augenbrauen wirkten anziehend, sein Lächeln war herzlich und warm. Hilde war sich sehr genau bewußt, daß sie nur die war, die sie war. In diesem Moment trat Mattias herein.
    Hilde erstarrte und blickte die beiden voller Panik an. Im Nu hatte sie die Schürze vor das Gesicht geschlagen. »Das ist der Doktor«, erklärte Andreas. »Mattias von Meiden. Ich habe nach ihm geschickt. Er ist ein Verwandter von mir.«
    Sie senkte den Kopf, nun vollends verwirrt von dem, was sie gerade gesehen hatte. Was für ein schönes Gesicht, nicht mehr ganz jung, aber mit edlen, geradlinigen Zügen. So ganz anders als ihr Gesicht oder das ihres Vaters. Mattias, der höflich gegrüßt hatte, so daß sie eilig vor ihm knickste, beugte sich über Joel Nachtmann. Hilde holte geschwind eine Schüssel mit warmem Wasser und begann das Gesicht des Vaters mit einem reinen Lappen abzuwischen.
    Hin und wieder warf sie einen verschreckten Blick auf die Männer, als erwartete sie einen kalten Schwall höhnischer Schimpfworte.
    Mattias lächelte sie freundlich an - und niemand konnte so beruhigend lächeln wie er. Die beiden Männer sahen, daß ihre Schultern sich ein wenig senkten, daß sie ihre Anspannung und Verteidigungshaltung ein kleines bißchen zurücknahm.
    Der Henkersknecht kam unter Stöhnen einen Moment zu Bewußtsein. »Du verdammte Göre, hör endlich auf, in meinem Gesicht herumzuwischen«, krächzte er mit aufgesprungenen Lippen und rauher Kehle. Dann sank er in seine Ohnmacht zurück.
    Sie biß sich auf die Lippen, als sie das übel zugerichtete Gesicht ihres Vaters betrachtete. »Er wird es schon schaffen«, sagte Mattias. Hilde sah die beiden fragend an.
    »Das war sicher nicht seine Schuld«, sagte Andreas, und ihre Augen richteten sich rasch auf ihn. »Ich kann mir schon denken, was vorgefallen ist. Man will ihm die Leichenfunde in die Schuhe schieben.«
    Unwillkürlich blickte sie zum Fensterloch, das den Blick auf eine weit entfernte Wiese freigab.
    »Ja, dort drüben«, sagte Mattias. »Hast du davon gewußt?« Sie schüttelte den Kopf.
    »Haben deine Freunde dir nichts erzählt? Vier tote Frauen.« Mit tonloser Stimme sagte sie: »Freunde?«
    Andreas und Mattias sahen sich an. Die Tochter des Henkerknechts hatte keine Freunde.
    »Vier Frauen?« sagte sie fragend, etwas mutiger nun, da sie nicht verhöhnt oder verspottet worden war. Aber sie war immer noch auf der Hut, das verriet ihr ausweichender Blick. Wie eine Schnecke, allzeit bereit, die Fühlhörner beim ersten Anzeichen von Gefahr einzuziehen.
    Ihre Stimme war heiser, das hörte sie selbst, sie war es einfach nicht gewohnt zu sprechen. Sie räusperte sich nervös.
    »Vier Frauen, ja«, sagte Andreas. »Sie wurden getötet. Weißt du etwas davon? Hast du in diesem Frühjahr etwas bemerkt, oder im vergangenen Herbst?«
    Sie überlegte, und jetzt konnten die Männer sie offen betrachten, da sie ja auf Antwort warteten. Ihre Augen waren nachdenklich, fast wehmütig-träumerisch. Sie machte einen seltsam losgelösten, resignierten Eindruck. Aber sauber, schön und respektabel war sie, ein wirklich angenehmer Anblick. »Nnn-ein«, sagte sie unsicher.
    »Wenn dir etwas einfällt, sag uns Bescheid«, sagte Mattias.
    Sie nickte, wurde sich wieder ihres niedrigen Standes bewußt und errötete. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte um Verzeihung für die Dreistigkeit gebeten, daß sie den Mund aufgemacht hatte.
    Mattias verband Joel Nachtmann so gut es ging. »Am besten sagen wir, daß dein Vater im Sterben liegt«, meinte er. »Die Leute sind jetzt aufgestachelt und brauchen einen Sündenbock. Aber eine solche Nachricht hält sie fern. Die das hier getan haben, werden ein schlechtes Gewissen bekommen. Aber sicherherheitshalber solltest du in den nächsten Tagen niemandem die Tür öffnen. Und… », er zögerte, »du solltest auch besser nicht vor die Tür gehen, wenn es dunkel wird.«
    Als sie begriff, daß die Männer
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