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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
Autoren: Margit Sandemo
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sah gut aus von hier oben. Alle Gebäude tipp-topp gepflegt. Vater und Mutter und Großvater arbeiteten immer noch auf dem Hof mit und setzten ihren ganzen Ehrgeiz daran, ihn aufs beste in Ordnung zu halten. Obwohl Lindenallee nicht zu den größten Gehöften in der Gemeinde gehörte, galt er trotzdem als Großbauernhof.
    Grästensholm nahm sich nicht weniger gut aus. Der Gutshof war viel größer, deshalb machte er selbstverständlich mehr Eindruck. Aber das lag auch daran, daß Tarald und Yrja und Liv ihn bewirtschafteten. Was einmal aus dem Gut werden würde, wenn der junge Mattias von Meiden es übernahm, war schwer abzuschätzen. Mattias war mit Leib und Seele Arzt und sonst gar nichts. Aber das war natürlich völlig in Ordnung… Wenn er nur einen guten Verwalter fände! Mattias war auch noch nicht verheiratet. Und das, obwohl er schon dreißig Jahre alt war. Andreas lächelte in sich hinein. Was für ein phantastischer Mensch, der Mattias, es wurde einem schon fröhlich zumute, wenn man nur an ihn dachte. Mattias war einfach dazu geschaffen, für die Menschen da zu sein, das fanden alle. Eine Ehe könnte ihn so binden, daß er keine Zeit mehr für andere hätte. Aber das war ein sehr egoistischer Gedanke. Auch Mattias hatte natürlich ein Recht darauf, die aufrichtige, innige Liebe zwischen zwei Menschen zu erleben. Obwohl es bisher nicht so aussah, als ob er das vermißte. Am Waldrand, ganz in der Nähe der Stelle, wo er saß, entdeckte Andreas eine kleine armselige Kate. Ihn schauderte. Dort wohnte der Nachtmann, das wußte er. Der Nachtmann mit seiner Tochter. Gerade in diesem Augenblick konnte er die Gestalt einer Frau ausmachen, die zum Stall hinüber eilte. Und schon war sie fort. Das mußte Hilde sein. Andreas hatte sie nie aus der Nähe gesehen. Sie war immer da gewesen, aber niemand zählte sie mit.
    Aber er erinnerte sich an sie, auf den Festen der jungen Leute in den hellen Mittsommernächten draußen auf dem Tanzplatz im Wald. Obwohl es schon einige Jahre her war. Eine stumme Gestalt oben zwischen den Bäumen - weit entfernt von der fröhlichen, lärmenden Schar. Nur eine Silhouette konnte man erkennen von ihr, der Tochter des Nachtmannes. Kam ihr jemand zu nahe, um sie zu necken oder zu verspotten, verschwand sie sofort in den Schatten des Waldes und kam in dieser Nacht nicht mehr wieder.
    Damals hatte er wie die anderen über dieses merkwürdige Mädchen gelacht.
    Jetzt gab es ihm einen kleinen Strich ins Gewissen. Er war inzwischen älter und hatte mehr Verstand. Die ganze Siedlung lag an diesem grauen Tag ruhig und still zu seinen Füßen. Die Kirche sah ziemlich mitgenommen aus. Der Pastor hatte davon gesprochen, daß der Turm in diesem Jahr ausgebessert werden müßte, aber er war nur auf taube Ohren gestoßen. Derartige Ausgaben konnten die Hauern sich nicht leisten, meinten sie.
    Aber sie mußten wohl bald in den sauren Apfel beißen, wenn der Kirchturm nicht einstürzen sollte.
    Er konnte von hier aus das Dach des Hofes von Gabriella und Kaleb ausmachen. Sie führten dort jetzt ein Kinderheim, die beiden und Eli. Weitere Kinder nach der totgeborenen Tochter hatten sie nicht bekommen. Aber keine Eltern konnten ihre leiblichen Kinder mehr liebhaben als die beiden ihre Eli - und kaum jemand dachte noch daran, daß sie nicht ihr leibliches Kind war. Die drei waren eine glückliche kleine Familie. Andreas mußte lächeln. Dem Alter nach trennten sie alle auf dem Hof genau zehn Jahre. Kaleb war jetzt sechsunddreißig, Gabriella sechsundzwanzig und Eli sechzehn. Hätte Gabriellas Neugeborenes gelebt, wäre es jetzt sechs. Aber es war schon besser so, daß es tot geboren wurde - es wäre Kaleb und Gabriella sicher nicht leicht geworden, eine der unglückseligen Verdammten des Eisvolks großzuziehen.
    Andreas selbst konnte ganz sicher sein, nur gesunde Kinder zu bekommen, also war es wohl an der Zeit, daß er auch welche in die Welt setzte…
    Aber dazu mußte er erst einmal eine geeignete Frau finden.
    Na ja, so eilig war das nun auch wieder nicht. Andreas atmete tief durch und erhob sich so energisch, daß es in seinen Gelenken knackte. Höchste Zeit, daß er weitermachte, wenn er vor der Abenddämmerung fertig sein wollte.
    Und er war zäh. Eine Furche ziehe ich noch, dachte er. Und noch eine. Und noch eine…
    Die regenschweren Wolken, die die Tannenspitzen umhüllten, zeigten schon die dunkelgraue Farbe der heraufdämmernden Nacht, als er das letzte Stück Boden voller großer Steine unter
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