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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
Autoren: Margit Sandemo
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sein, für das Seelenheil dieser Verlorenen zu bitten«, erwiderte Are scharf. »Jesus hat sich von keinem Sünder abgewandt.«
    Man widersetzte sich in dieser Gemeinde keinem Sohn Tengels des Guten vom Eisvolk. Das hatte sogar dieser neue Pastor schon begriffen.
    Also warf er Are nur einen giftigen Blick zu und sprach gehorsam ein Gebet, damit die ruhelosen Geister ihren Frieden finden sollten. Danach atmeten alle erleichtert auf.
    Aber nur für kurze Zeit, denn gleich darauf sagte der Vogt, als er den Kopf hob: »Teufel auch! Das sind doch nicht etwa… «
    Dann beruhigte er sich wieder ein wenig. »Nein, das kann ja gar nicht sein!«
    Aber alle hatten seine Worte gehört. Kalebs vertrauenerweckende Gestalt tauchte auf, und nicht wenige suchten seine Nähe.
    »Woran habt Ihr gedacht?« fragte Brand den Vogt in scharfem Ton. »Ach nichts, es kann ja nicht sein.« »Heraus damit!«
    »In der Einöde draußen, weit entfernt von hier, in den kleinen Talschluchten - da ging einige Jahre lang das Gerücht über einen Wolf in Menschengestalt. Wir nennen so etwas einen Werwolf. Eine Frau wurde vor gut einem Jahr zu Tode zerrissen, richtig zerfleischt. Und im Wald wurde ein dreibeiniger Wolf gesichtet…« Ein junges Mädchen schlug die Hand vor den Mund und schrie erstickt auf: »Jesses!«
    »Ein Werwolf?« unterbrach ihn Are mit finsterem Blick. »Macht mir nicht die Leute verrückt!« »Nein, ich sage ja, es war nur ein Gerücht.«
    Ein Mann sagte bedächtig: »Aber wie es aussieht, haben wir hier vier ungeweihte Gräber vor uns. Vielleicht sind alle Toten Frauen? Vielleicht treibt er hier sein Unwesen? Reißt einsame Frauen. Bei Vollmond… «
    Zwei der Mädchen schrien auf. Einige der Anwesenden blickten zum Himmel, um zu sehen, wie der Mond stünde, aber der war verborgen. Andere blickten hinter sich, in den Wald.
    »Ein dreibeiniger Wolf?«, sagte einer der Männer. »Wieso dreibeinig?«
    »Weißt du das nicht, Dummkopf?« fuhr ihn der Vogt an. »Der Werwolf ist ein Mensch, der sich bei Vollmond in einen Wolf verwandelt. Und auch sonst manchmal. Und weil er ein Mensch ist, hat er keinen Schwanz. Das aber ist eine Schande für einen Wolf. Deshalb streckt er ein Bein nach hinten wie einen Schwanz - und somit bleiben ihm nur drei Beine zum Laufen.«
    »Uhh«, kam es erschauernd aus der Menge. Der Vogt bedachte die Versammlung mit einem strengen Blick. »Deshalb achtet auf euren Mann, ihr Frauen! Sollte es Anzeichen dafür geben, daß er des Nachts draußen war, dann gebt mir Nachricht! Seht euch seine Zähne genau an! Vielleicht sitzt noch ein Fädchen Stoff dazwischen - oder es finden sich Spuren von Blut in seinem Gesicht…« Are stöhnte leise auf.
    »Und Frauen, die in der Hoffnung sind, sollten des Abends daheim bleiben«, fuhr der Vogt fort. »Denn sie sind besonders verlockend für den Werwolf.«
    »Jetzt haltet doch endlich den Schnabel mit diesem Gewäsch«, sagte Andreas unbedacht. »Was Ihr hier zum besten gebt, das sind Märchen aus Eurem eigenen Land. In Norwegen gibt es keine Werwölfe.«
    »Hah, und ob!« erwiderte der Vogt, der jetzt in seinem Element war. »Ihr habt sogar Bären, die Frauen und Kinder fressen. Die gibt es bei uns nicht.«
    »Ach, wißt Ihr was«, sagte Are gelassen, »schon die Wikinger hatten ihre Werwölfe. Ich denke, es ist vollkommen unnötig, das hier jetzt ins Spiel zu bringen, solange wir nicht mehr über die toten Frauen hier wissen. Und was ich gerne wissen würde, ist - wenn denn wirklich ein Werwolf sein Unwesen bei uns treiben sollte… warum er unbekannte Frauen hierher verschleppt hat?« »Ja, sind sie es denn?« fragte ein Mann. »Was war denn mit Gustavs Lisa? Die letzten Herbst fortgegangen ist, um Geld zu verdienen? Sie hatte fest versprochen zu schreiben. Und das hat sie nicht getan. Sie kam auch nicht zu Weihnachten heim, und dabei hatte sie es ganz fest zugesagt.«
    »War es Abend, als sie von daheim fortging?« wollte der Vogt wissen.
    »Das weiß ich nicht. Da müßt Ihr den Gustav fragen.« »Das werde ich, verlaßt Euch drauf, entgegnete der Vogt knapp.
    Der Wald stand finster und schweigend in ihrem Rücken. Niemand hier wollte allein stehen, sie drängten sich zusammen, zu zweit oder in Gruppen. Die grauschwarzen Wolken hingen schwer in den Tannenwipfeln. Zwischen den Bäumen konnte sich leicht etwas verborgen halten.
    Are ließ Fackeln anzünden, um den sterbenden Tag zu erhellen. Von Lindenallee und Grästensholm kamen Männer mit Spaten, und dann begann
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