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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
Autoren: Margit Sandemo
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den Pflug nahm. Er wollte dieses letzte Stück noch schaffen, es sah nicht besonders schwierig aus, war auch nicht sehr von Gras überwuchert.
    Der Pflug stieß gegen ein nachgiebiges Hindernis. Er setzte erneut an.
    Nein, etwas war im Wege. Das war kein Felsbrocken, auch keine Baumwurzel. Das hier war weicher. Andreas beugte sich hinunter und entfernte einen großen Erdklumpen. Er ließ sich leicht bewegen, so als wäre er erst kürzlich dort hingelegt worden.
    Darunter entdeckte er etwas, das entfernt wie Stoff aussah. Wie dunkler, dicker Filz?
    Er schob noch eine Grassode fort, und ein halb verwester Schädel grinste ihn an.
    Andreas fuhr zurück, als hätte ihn eine Hand fortgerissen, ihm war, als sammele sich all sein Blut in den Füßen. In wilder Hast riß er den Pflug aus der Erde, hob ihn über den makabren Fund hinweg und trieb das Pferd zur Eile an. Als sie zum Rand des kleinen neugerodeten Landstücks gekommen waren, spannte er den Pflug aus, warf sich rittlings auf das ungesattelte Pferd und jagte davon.
    Eines hatte er sofort begriffen: Was er da auch immer gefunden haben mochte, ein geweihtes Grab war das nicht. Und auch kein ungeweihtes. Es kam ja hin und wieder vor, das Sünder außerhalb der Friedhofsmauer begraben wurden.
    Das hier waren auch nicht die Überreste eines Verunglückten, und die Pest war schon lange nicht mehr ausgebrochen. Daß dieses Loch im Geheimen gegraben worden war, das begriff auch der letzte Dummkopf. Weiter wollte er nicht darüber nachdenken, bevor er seine Entdeckung nicht jemand anderem gezeigt hatte. Zu schade, daß Amtsrichter Dag von Meiden nicht mehr lebte! Jetzt mußte er wohl damit zum Vogt gehen, und der war keine besonders angenehme Person.
    Aber Kaleb kannte sich gut aus mit Recht und Gesetz! Ja, er würde auch Kaleb bitten, sich das anzusehen. Dieser Gedanke erleichterte ihn ein wenig.
    Auf dem Hof sahen sie, daß Andreas geritten kam wie der Teufel, und sie gingen hinaus, um ihn in Empfang zu nehmen. Großvater Are, mit seinen jetzt achtundsechzig Jahren immer noch schlank und beweglich wie ein junger Bursche, Vater Brand, zuverlässig und breitschultrig und mit einem Anflug von grauen Haaren, und die herzensgute Mutter Matilda mit der schon immer stämmigen Figur, die im Laufe der Jahre nicht gerade schlanker geworden war… Sie alle standen da und blickten ihn fragend an, als er vom Pferd sprang.
    »Nanu, Andreas«, sagte Brand. »Du bist ja ganz grau im Gesicht. Was ist passiert?«
    »Ich habe in dem gerodeten Landstück dort oben die Überreste eines Menschen gefunden. Am besten lassen wir sofort den Vogt holen, damit er uns nicht vorwerfen kann, wir hätten etwas verschwiegen.«
    »Was sagst du da, Junge? Ich werde sofort den Jungknecht zu ihm schicken.«
    Der Vogt wohnte in der Nachbargemeinde, aber der Weg war nicht weit. Nur über den Bergrücken. »Und Kaleb auch«, sagte Andreas. »Gut, wird gemacht.«
    Wenig später wußte der ganze Hof davon, und die Leute liefen in kleinen Gruppen den Pfad zum Wald hinauf, einige waren neugierig, andere wollten ganz bestimmt nicht hinsehen - aber dabeisein wollten sie doch. Andreas und seine Familie mußten sich beeilen, damit das Gesinde ihnen nicht zuvorkam und vielleicht alles zertrampelte. Oben am Waldrand stellte Andreas sich dem heranstürmenden Haufen in den Weg.
    »Geht nicht auf den Acker, ihr könntet alles zertreten, und dann kriegt ihr es mit dem Vogt zu tun!« rief er. »Wenn ihr unbedingt etwas sehen wollt, dann stellt euch dort auf die Felsblöcke!«
    Brand und Are betrachteten die Leichenreste. »Schauderhaft«, sagte Brand. »Ich kann gut verstehen, daß du einen Schock gekriegt hast, Andreas.« Are sagte nachdenklich: »Schau dir die Grassoden an, wie sorgsam sie wieder an ihren Platz gelegt wurden! Das ist erst in diesem Frühjahr gemacht worden.«
    Das Gesinde war inzwischen vollzählig versammelt und betrachtete den Fund mit wohligem Schaudern. Einige entfernten sich schnell wieder, grünlich im Gesicht. »Wer das wohl sein mag?« sagte der Stallknecht. »Sieht aus wie eine Frau«, meinte Andreas. »Wird jemand in unserem Kirchspiel vermißt?«
    Nein, davon war niemandem etwas zu Ohren gekommen. Are untersuchte immer noch den Grasbewuchs. Er stieg vorsichtig über die Grassoden hinweg.
    »Seht her«, sagte er leise, und alle lauschten gespannt. »Seht ihr, wie die Grasdecke in Rechtecke unterteilt ist? Jedes Rechteck muß eine an ihren Platz zurückgelegte Grassode sein, nicht wahr?« Sie
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