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Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter

Titel: Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
Autoren: Margit Sandemo
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aufbrechen wollten, bekamen ihre Augen einen ängstlich-eifrigen Ausdruck.
    »Oh, aber Ihr werdet doch eine kleine Erfrischung nicht ablehnen«, flüsterte sie hastig. »Ich habe Kekse und Honigsaft. Ich bringe es sofort.«
    Den beiden fiel auf, daß sie sich um eine gewählte Ausdrucksweise bemühte.
    Sie war schon aufgesprungen und huschte flink zwischen Küche und Speisekammer hin und her.
    Andreas und Mattias sahen sich an. Beide waren taktvoll genug, die Einladung anzunehmen, obwohl sie schon lange genug von ihrer Arbeit abgehalten worden waren. Sie war doch so eifrig, die Hilde. Ihre Augen glänzten voller Erwartung und ängstlicher Unsicherheit. Sie stellte eine Trinkschale auf den Tisch und eine Holzschüssel voller kunstfertig verzierter Kekse daneben.
    Lieber Himmel, dachte Mattias. Die hat sie für das vergangene Weihnachtsfest gebacken! Wie schön die aussehen. Und keiner hat sie gegessen. Nicht einmal gesehen.
    Dann bat sie die Männer mit einer nervösen Handbewegung, auf den Holzkloben Platz zu nehmen, die als Stühle dienten. Sie selbst blieb im Hintergrund stehen und sah zu, ängstlich darauf bedacht, daß ihnen ja nichts fehlte. Aber sie hatte nicht die Ruhe, auch nur einen Moment stillzustehen. Unablässig wieselte sie herum, wischte ein Krümelchen vom Tisch, schob die Schüssel näher heran, stellte die Blumenvase etwas weiter fort.
    Die Kekse waren steinhart. Aber die Männer tunkten sie unauffällig in den Honigsaft und lobten den köstlichen Geschmack. Hilde drehte rasch das Gesicht fort, aber es war ihnen nicht entgangen, wie glücklich ihre Augen strahlten. Also langten sie zu und würgten noch ein paar Steinkekse hinunter, bevor sie guten Gewissens behaupten konnten, nun seien sie aber wirklich satt. »Wir kommen morgen wieder«, versprach Mattias. »Dann werden wir sehen, wie es deinem Vater geht.« Sie nickte und zog einen mageren Geldbeutel hervor, um den Doktor zu bezahlen, aber er schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Darüber reden wir später. Vielleicht sind mehrere Besuche nötig, bis dein Vater wieder gesund ist. Also bis morgen, Hilde Joelstochter, und vielen Dank für die kleine Stärkung.«
    Die beiden Männer gingen schweigend den Wiesenrain entlang talwärts, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Sie wußten, auch ohne sich umzudrehen, daß Hilde auf dem kleinen Hofplatz stand und ihnen nachschaute.
    »Wie wenig man doch über seine nächsten Nachbarn weiß«, sagte Andreas.
    »Ja«, nickte Mattias. »Ich habe gemerkt, wie du auf den Werwolf angespielt hast. Ganz vorsichtig. Das war gut.« Als sie aus ihrem Blickfeld verschwunden waren, ging Hilde wieder ins Haus. Sie blickte sich mit erstaunten Augen um. Alles schien irgendwie neu zu sein. Dort hatten sie gesessen. Die Plätze würden nie mehr dieselben sein wie vorher, das wußte sie. Sie strich leicht über die Balken in der Wand, an denen ihre Schultern gelehnt hatten. Sie hatten ihre Holzschüssel berührt - immer noch trug das Holz die Wärme ihrer Hände in sich. Und hier hatte er gestanden und sich über ihren Vater gebeugt. Die Decke ist verrutscht, hatte er gesagt, und dann hatten sie sie gemeinsam zurechtgezogen. Er hatte ihre Blumen auf dem Tisch gesehen. Schade, daß sie nicht mehr gefunden hatte. Für morgen wollte sie neue pflücken…
    Morgen würden sie wiederkommen. Oder vielleicht nur der Doktor? Der mit den freundlichen Augen. Vielleicht würde er morgen gar nicht mitkommen. Ein Bauer hatte sicher nicht die Zeit, auf diese Weise herumzutrödeln.
    Hilde sah zum Vater hinüber, der immer noch schlief oder bewußtlos war. Dann trat sie wieder vor die Tür und sah hinunter nach Lindenallee.
    Gerade als Andreas und Mattias auseinandergehen wollten, um an ihre Arbeit zurückzukehren, kam ihnen Brand entgegen.
    »Vater hat die ganze Familie versammelt«, sagte er. »Er will mit uns reden. Deshalb komm bitte mit nach Lindenallee, Mattias.«
    Der ganze norwegische Teil der Sippe saß in der guten Stube von Matilda und Brand. Matilda hatte Gerstenpfannkuchen gebacken und servierte saure Sahne dazu. Die beiden jungen Männer wechselten einen Blick und stöhnten leise auf. Hildes Weihnachtsplätzchen lagen ihnen noch wie Steine im Magen.
    Are holte tief Atem. Gebieterisch und patriarchalisch mit seinem grauweißen Bart ergriff er das Wort:
    »Die Leichenfunde haben uns in eine schwierige Lage gebracht. Ich will diese Sache mit euch besprechen, bevor der Vogt uns verhört. Ihr wißt, wie angreifbar wir sind, wenn es
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