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Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Titel: Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd
Autoren: Margit Sandemo
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dies, und tragt es immer bei Euch. Es ist ein Amulett, ein Schutz gegen alles Böse. Ein richtiges Hexenmittel!« lachte Tengel. »Es enthält alle möglichen Abscheulichkeiten. Aber ich glaube daran.«
    Nach einem Moment des Zögerns nahm Johan es entgegen. Das war der Beweis, der ihm gefehlt hatte! Der perfekte Beweis, um ihn vorzulegen. Jetzt hatte er ihn!
    Er spürte Sols Augen auf sich. Sie brannten mit einer seltsamen Glut, als ob sie ihn um etwas bäten. Diese wunderbar schönen Augen…
    Spontan schlang sie ihre Arme um seinen Hals und drückte sich an ihn. In diesem Moment war sie einfach ein Kind, der Wechsel ging ganz schnell bei ihr. Aber Johan empfand sie nur halbwegs als Kind, er konnte nicht anders, als sie noch ein bißchen extra zu drücken, und die Tränen stiegen ihm in die Augen.
    Sie sah ihn ein letztes Mal an. Ihr Blick war so betrübt, so erfüllt von grenzenloser Trauer, daß das Gefühl auf ihn übersprang, und er hatte Mühe, zu atmen. Ein Klumpen Schwermut saß in seiner Brust, und der setzte ihm so zu, daß er sich abwenden mußte.
    Dann sagte er schnell Adieu. Ein Kutscher von Grästensholm fuhr ihn bis ganz an die Stadtgrenze.
    Aber Herr Johann begab sich nicht direkt nach Akershus.
    Er wartete, bis der Wagen kehrt gemacht hatte und verschwunden war. Dann ging er in die nächstgelegene Schenke. Dort bat er um Schreibzeug, und während er ein Glas Wein trank, machte er sich daran, alle Fragen des Protokolls auszufüllen. Das Amulett brannte in seiner Hosentasche.
    Lange saß er so da und dachte nach, während der Schmerz in seinen Eingeweiden wühlte. Aus dem Glas Wein wurde eine ganze Flasche, ohne daß er auch nur einen Buchstaben zu Papier gebracht hätte.
    Trauer und Schwermut saßen in ihm wie ein unendlicher Abgrund, den er nicht lokalisieren konnte. Etwas lockte und zog, saugte ihn hinab und immer weiter hinab, umhüllte ihn mit Wehmut.
    Die Gesichter zogen an ihm vorbei. Die unschuldigen der Kinder. Die reinen Züge der Hausfrau. Die Gruppe, die auf der Treppe stand und ihm zum Abschied nachwinkte.
    Eine so glückliche Familie, wie es sie kaum jemals wieder geben würde.
    Aber heidnisch! Er zog das Amulett hervor. Das war Teufelswerkzeug, genug, um sie richten zu lassen. Er konnte die Abgesandten des Teufels zu Fall bringen, er wußte, wo er zuschlagen mußte. Er hatte viel Lob für seine strenge, harte Linie erhalten…
    Zwei Männer unterhielten sich in der Nische hinter ihm.
    Er hatte sie schon eine ganze Weile gehört und beiläufig registriert, daß ihm die eine der Stimmen bekannt vorkam. Jetzt horchte er genauer hin, denn jetzt redeten sie über etwas, das in sein Gebiet fiel.
    Ja tatsächlich, der eine von ihnen war ein Mitarbeiter des Hexengerichts! »… hat sich eine ordentliche Strafe für das Weib ausgedacht.«
    »Wie ist man ihr auf die Schliche gekommen?« »Die Nachbarin hatte sich beklagt. Die Kühe gaben keine Milch mehr.«
    »Ja, dann war die Sache natürlich klar. Welche Strafe hat sie bekommen?« »Den Trichter.«
    Johan zuckte zusammen. Er hatte selbst oft den Trichter verhängt, das war sein Lieblingsgerät. Ein Trichter wurde in den Mund der Verurteilten gesteckt, und dann goß man Wasser hinein. Die armen Teufel waren gezwungen zu schlucken, sie konnten nicht anders…die großen Wasserbehälter…
    Johan schauderte es von Kopf bis Fuß.
    Dieser Sog, schwindelerregend, lockend…
    Sols Augen. So traurig, so bittend.
    Der Triumph. Die Ehre!
    Leere.
    Alles war fort. Sein Hirn war leergefegt.
    Die Stimme hinter ihm: »Sie war zäh auf dem Scheiterhaufen, ihr Leben wollte nicht weichen. Lustiger Anblick…«
    Vor Herrn Johans Augen drehte sich alles.
    Dann hob er entschlossen den Stift und beantwortete alle Fragen mit Nein - so energisch, dass der Stift fast zerbrach. Ganz unten notierte er: Es gibt nicht die geringsten Anzeichen dafür, daß irgend jemand in diesem Haus jemals Zauberei betrieben hat. Ich selbst bin nach Dänemark abberufen worden. Es ist sehr eilig, ich verlasse Norwegen noch heute.
    Er erhob sich lautlos von seinem Platz, um nicht die Aufmerksamkeit der beiden Männer hinter ihm zu erregen, bezahlte seine Zeche und ging hinaus. Vor der Tür rief er einen jungen Burschen zu sich.
    »Würdest du bitte diesen Brief dem Hohen Richter des Hexengerichts übergeben? Es ist sehr wichtig. Hier, nimm diesen hübschen Batzen für deine Mühe und dafür, dass du den Auftrag sorgsam ausführst. Und… warte noch! Dieses Amulett sollst du außerdem haben.
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