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Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd

Titel: Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd
Autoren: Margit Sandemo
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sprang und seinen Weg in Richtung Kirche fortsetzte.
    »Sol!«
    Sie drehte sich um. Es war Tengel, der mit schnellen Schritten zu ihr heraufkam.
    »Wo warst du nur den ganzen Tag? Silje macht sich große Sorgen wegen dir.«
    Er sah selbst ziemlich besorgt aus.
    Sol lächelte. »Ach, ich bin nur ein bißchen herumgewandert. Eigentlich wollte ich ein paar Kräuter sammeln, aber daraus ist nichts geworden. Ich habe meinen Proviant gegessen und es mir einfach gutgehen lassen. Es ist so ein schöner Tag.«
    »Ja, aber du mußt uns Bescheid sagen, meine Liebe. Wir wußten ja von nichts.«
    »Du weißt, daß ich am liebsten selber zurechtkommen will. Meine eigenen Wege gehen. Aber du hast recht, entschuldige, das war gedankenlos von mir.« Tengel sah sie forschend an. »Was ist mit dir, Sol? Du siehst so merkwürdig aus. Du siehst aufgeregt und… zufrieden zugleich aus. Und die Glut in deinen Augen gefällt mir nicht! Was war das für ein Mann, der gerade am Waldrand entlang gelaufen ist?«
    Sol wandte ihren Blick wieder der Siedlung zu. Sie ging ein paar Schritte den Hügel hinunter, damit man sie vom Haus aus nicht sehen konnte. Tengel folgte ihr.
    »Das war ein schlechter Mann, Tengel. Er wollte dich und mich holen. Wir sollten bestraft werden, weil wir einen Pakt mit dem Teufel hätten, hat er gesagt.«
    Tengel wurde bleich. »Gütiger Gott, ist das dein Ernst, Sol! Ja, darauf habe ich gewartet. Meine Heilkünste… und deine Unvorsichtigkeit. Aber das es so weit kommen sollte… Wer war das? Herr Johan?« »Nein. Ein Kirchendiener.«
    »Aha, der! Ein abstoßender Mann. Voller Doppelmoral.
    Gerade deswegen ist er bestimmt gefährlich.«
    Sol sah ihn mit unschuldigen Augen an. »Er hat etwas Seltsames gesagt, Tengel. Ich habe es nicht verstanden.
    Er hat gesagt, wenn ich nett zu ihm bin… mit ihm zusammenarbeiten will… dann würde er mich laufenlassen. Und er hat mich mit seinen schrecklichen, knochigen Fingern angefaßt. Warum hat er das getan, Tengel?«
    Ihr Ziehvater holte scharf Atem. »Was?« brüllte er, und dann versagte seine Stimme. Er faßte sich und fuhr fort:
    »Was hat er getan? Hat er sonst noch was gemacht?«
    »Nein«, sagte Sol unbekümmert. »Ich hab ihm gesagt, daß er häßlich und dumm ist, und da ist er weggegangen.«
    Es dauerte eine Weile, bis Tengel sich wieder beruhigt hatte.
    »Lieber Gott, was sollen wir tun?« flüsterte er. »Was sollen wir nur tun, Sol? Jetzt geht es uns an den Kragen, dir und mir. Müssen wir wieder umziehen? Den Lindenhof verlassen, den wir alle so lieben?«
    »Keine Sorge«, sagte Sol leichthin. »Er kommt nicht weit.«
    Tengel wurde langsam aschfahl im Gesicht. »Sol!« flüsterte er. »Was hast du getan, Sol?« rief er mit halberstickter Stimme. »Antworte! Hast du… Hast du Hannas Todesdornen benutzt? Hast du einen?«
    »Au! Du tust mir weh!«
    Als er sie losließ, zupfte sie ihre Bluse an den Schultern zurecht. »Ja, ich habe einen.«
    Tengel holte tief Atem. Es hörte sich an wie ein Stöhnen.
    »Lauf ihm hinterher! Sofort! Spring, du teuflisches Hexenweib!«
    Noch nie vorher hatte er so etwas zu ihr gesagt, aber er war völlig von Sinnen vor Entsetzen und Verzweiflung.
    Sol sah über die Wiesen hinunter, bis sie die kleine, schwarze Gestalt des Kirchendieners weit hinten in der Kirchenallee ausmachen konnte.
    »Es ist zu spät«, sagte sie träge wie in Trance.
    Tengel folgte ihrem Blick. Der Kirchendiener stolperte so merkwürdig, griff nach einer der Birken in der Allee, versuchte die Kirchenmauer zu erreichen - und dann stürzte er zu Boden und blieb bewegungslos liegen.
    »O mein Gott!« flüsterte Tengel. Er verbarg sein Gesicht in den Händen und sank auf die Knie, konnte sich nicht länger aufrecht halten.
    »Er hätte uns töten können«, sagte Sol treuherzig. »Er war ein schlechter Mann, Tengel.«
    Als Antwort jammerte er nur. Sol stand und wartete.
    Das sagte er: »Hast du deswegen so… so zufrieden ausgesehen?«
    »Nein, das war, weil ich an etwas anderes gedacht habe.«
    »Und an was?«
    ,Ach nein, es war nichts.«
    Tengel konnte sich nicht rühren, er war wie gelähmt.
    »Keiner hat gesehen, daß er von hier gekommen ist«, sagte Sol, als spräche sie von einem Kinderstreich. »Wir sind in Sicherheit. Komm, wir gehen nach Hause!«
    Endlich kam Tengel wieder zu sich. Endlich, nach all den Jahren, in denen er seine starken, ungewöhnlichen Fähigkeiten unterdrückt hatte, ließ er sie herraus, mit dem ganzen Zorn und Kummer, der ihn
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