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Die Sache mit dem Ich

Die Sache mit dem Ich

Titel: Die Sache mit dem Ich
Autoren: Marc Fischer
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drei es noch bringen und dir auch für die nächsten Jahre als Vorbild an Geschmack und Wendigkeit in allen Lebensfragen zur Seite stehen können.
    Gründe für Zweifel gibt es durchaus. Die neue Platte »To The 5 Boroughs«, die sich die Journalisten im Hotel Four Seasons auf einem hundertfach kopiergeschützten iMac anhören durften, ist zwar ein unglaublich druckvoller Hiphop-Trip durch das New York der späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre, durch eine Zeit, in der Hiphop noch Rapmusik hieß, man die Beatbox einfach auf der Straße aufbaute und der Beat klang wie ein Basketball, den man auf der Stelle dribbelt: bumm, wumm, bumm, wumm. Trotzdem wirkt die Platte trotz all ihrer Protestaufrufe gegen die Bush-Regierung, für Umweltschutz und gegen Globalisierung ein bisschen wie eine Flucht in die Vergangenheit. Es liegt nicht allein an dem gezeichneten New-York-Skyline-Cover, auf dem das World Trade Center noch so dasteht, als sei es nie umgehauen worden; es liegt auch an dem grenzenlosen Lokalpatriotismus, mit dem die Beastie Boys New York auf dieser Platte umarmen. Und so wunderbar New York als Stadt sein mag, so steht es doch mittlerweile nicht mehr bloß als Opfer des elften September da, sondern auch als Vorwand der amerikanischen Regierung für zwei Kriege und ist heute zudem noch das New York von Michael Bloomberg, in demdu von der Straße wegverhaftet wirst, wenn du deinen Hund nicht anleinst. Es ist ein New York, in dem Bars nicht nur eine Lizenz zum Trinken brauchen, sondern auch eine zum Tanzen und eine zum Musikhören; ein New York, das gerade ein wenig zerrieben wird zwischen dem, was es ist, und dem, was es sein könnte.
    »Das New York, das wir beschreiben, ist das New York unserer Kindheit«, sagt MCA . »Das World Trade Center ist auf unserem Cover, weil es noch mehr aufgefallen wäre, wenn wir es weggelassen hätten«, sagt Mike D .
    Kommen die Beastie Boys zum ersten Mal ein wenig zu spät? Wurden Modernisten zu Eskapisten, die sich mit Nostalgie über die Realitäten unserer Zeit hinwegsetzen? Beginnt jetzt etwa schon ihr Alterswerk?
    Über all diese Dinge denkst du nach an diesem Abend in dem Klub, in dem genauso wie in New York das Rauchen verboten ist, während DJ Mixmaster Mike ein Potpourri aus Grandmaster Flash, Jimi Hendrix und Run DMC zusammenmixt. Bevor du dir aber irgendeine Frage beantworten kannst, passiert es auch schon: Von rechts – oder war es von links? – springen drei schlanke Gestalten auf die Bühne, und obwohl MCA , der Buddhist, grauere Haare hat als Richard Gere (eigentlich Naturgesetz, dass Buddhisten früh ergrauen?) und auch Adrocks Schläfen versilbert sind, bewegen sich die drei wendig und flink wie immer. Sie bellen und springen und quaken, reimen tell auf yell und swell auf well, wie’s sich gehört, und zerschneiden die Luft mit Handkantenschlägen und Figuren, die niemals lächerlich wirken, weil die Beastie Boys selbst es waren, die Ironie in den Hiphop brachten und nie so taten, als führten sie eine Nebenexistenz als Auftragskiller oder Drogenkuriere oder seien ohne Strom und fließend Wasser in der Bronx aufgewachsen. Schon nach ein paar Minuten lassen sich Menschen durchs Publikum tragen, und inmitten all der alten Hits, inmitten von »So What’cha Want« und »Intergalactic« und »Body’ Movin’« und dem neuen Stück »Ch-Check It Out« wird klar, dass die Beastie Boystatsächlich ein Opfer gebracht haben: Sie haben die Hipness, die ihnen so lange das Teuerste zu sein schien, gegen Liebe eingetauscht – eine etwas naive Liebe, die weniger eine Liebe zum echten New York als eine Liebe zu New York als Idee eines friedlich koexistierenden Zusammenlebens zu sein scheint. Eine ehrenvolle Sache, für die man durchaus auf die Stilführerschaft verzichten kann.
    Vielleicht ist aber in diesen Zeiten, in diesem Jahr 2004, das bislang ein Schreckensjahr war, ganz einfach die Liebe das coolste Accessoire des Hipsters. Wenn es so wäre, wären die Beastie Boys modemäßig so weit vorn wie noch nie in ihrem Leben.

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