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Die Sache mit dem Ich

Die Sache mit dem Ich

Titel: Die Sache mit dem Ich
Autoren: Marc Fischer
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eine Sekte halten, deren klügster Trick es ist, zu behaupten, sie sei keine Sekte, sondern nur eine Technik, um den Alltag zu bewältigen. Anders gesagt: Der Raja bringt dir gern TM bei, aber 2000 Euro musst du für dein Mantra schon hinlegen. Und wenn du irgendwann auch mal fliegen willst, wird’s noch ein bisschen mehr.
    Raja Emanuel berichtet den Menschen in der Urania nun, die Maharishis hätten gerade den Berliner Teufelsberg gekauft, um darauf die »erste Universität eines unbesiegbaren Deutschlands zu errichten. Von dieser Universität wird ein Licht ausgehen, das sichstrahlenartig über ganz Deutschland erstrecken und es unbesiegbar machen wird.« Der Raja hält ein Bild hoch: ein weißer Marmorturm vor blauem Himmel, das Refugium des zukünftigen Weltgeistes.
    Die Lacher im Publikum verebben. Teufelsberg, Deutschland, unbesiegbar, strahlenartiges Licht? Man hätte jetzt gern ein Nazometer. Es würde explodieren.
    »Warum denn ein unbesiegbares Deutschland? Wir sind doch in der EU !«, ruft einer.
    Was denn so schlimm sei an der Unbesiegbarkeit, fragt der Raja. Der Trend gehe doch dahin! Kurz muss er ein bisschen lachen.
    »Hitler wollte auch ein unbesiegbares Deutschland!«, schallt es zurück.
    »Aber leider ist es ihm ja nicht gelungen!«, kontert der Raja.
    Die Reaktion der Bayreuther Wagner-Fans bei Schlingensiefs »Parsifal« war ein wohliges Stöhnen im Vergleich zu dem Clown!-Scharlatan!-Buh!-Inferno, das nun auf den Raja niedergeht. Und David Lynch, was macht der so?
    David Lynch versteht offenbar kein Deutsch. Er sitzt da und runzelt die Stirn. Was gerade geschehe, fragt sein Assistent Bobby Roth.
    »Der Raja redet wie Goebbels auf Ecstasy.«
    »Ist es sehr schlimm?«
    »Na ja.«
    Lynch versucht zu beschwichtigen. Die Unbesiegbarkeit sei nicht militärisch, sondern spirituell gemeint. Er lädt den Saal ein, zur Grundsteinlegung der Universität auf dem Teufelsberg mitzukommen. Die meisten können nicht, haben kein Auto. Studenten, Yoga-Schüler, was will man erwarten?
    In Lynchs weißer Stretchlimousine singt Präsident Bevan Morris zum Runterkommen erst mal ein Lied von Roy Orbison. Solchen Ärger hätte man nur mit den Deutschen, nirgends sonst. Während der Wagen durch Berlin rollt, ergibt sich ein Gespräch über Nationalismus, Glauben, Gruppen, Sekten. Dass Hitler auf dem Teufelsberg mal ein Wehrinstitut geplant hat, überrascht Lynch: »Echt?« Leider hält der Wagen da schon auf dem Berg, gleich neben der zerfallenen Abhöranlage.
    Normalerweise wär jetzt tiefe Nacht, aber der Raja hat vorgesorgt: Fackelträger erleuchten das Gelände. Sind das schon die yogischen Flieger? Nein, sie üben noch, sagt einer, aber irgendwannklappt’s bestimmt. Auch Hanfried Schütte ist da, der Mann, der das Gelände an die Maharishis verkaufen will.
    »Für wie viel denn eigentlich?«
    »Muss ich ja nicht sagen.«
    »Gibt’s schon eine Baugenehmigung für die Super-Uni?«
    »Nein.«
    Der Raja drückt Lynch einen Spaten in die Hand, der kniet sich hin, buddelt. Schmutzig macht er sich komischerweise nicht. Bald ist das Loch einen halben Meter tief. »Nun die Ziegel«, sagt der Raja und reicht Ytong-Blöcke, die Lynch mit dem Spaten zerschlägt, bevor er die Symbole des Maharishi draufpinselt. Geld und Reis werden ins Loch geworfen, der fröhliche Raja stimmt sein »Unbesiegbares Deutschland«-Lied an. Mehr Spaß als er hat im Moment keiner auf der Welt. Die Maharishi-Sonnenflagge wird gehisst, danach gibt’s Pralinen für alle, sogar welche mit Cognac, und wenn jetzt noch Bücher verbrannt würden, wär’s auch keine große Überraschung mehr.
    »Hitler ist seit fünfzig Jahren tot und noch immer können die Deutschen nicht stolz auf sich sein, das muss sich langsam mal ändern«, sagt der Raja auf dem Rückweg in der Limousine. Er schwebt nun tatsächlich ein bisschen, kein Wunder.
    »Sie halten jetzt endlich mal den Mund!«, sagt Präsident Morris plötzlich, der vorhin noch so schön Roy Orbison gesungen hatte. »Hören Sie auf, in unserem Namen zu sprechen. Sie gefährden die Sache, merken Sie das nicht?«
    Ist der Weltfrieden die Sache?Ist die Weltherrschaft die Sache? Egal, was die Sache ist: Sie ist so groß, dass bis zur Ankunft im Hotel Schweigen in der Limousine herrscht. Lynch verschwindet sofort in seiner Suite. Die Meditation hat er jetzt wirklich nötig.
    »Heute ist viel schiefgelaufen«, sagt Bobby Roth später bei einem Drink. Stimmt. Ein toller Film war’s trotzdem. Bloß eher einer
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