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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat
Autoren: Fran Ray
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entgegen. Der abscheuliche kleine Rattenkopf auf dem großen menschlichen Körper verhöhnt nicht nur diesen einen Menschen, nein, er verhöhnt alle Menschen, die ganze menschliche Rasse!
    Sie überwindet sich, tritt näher an den Toten. Der Mörder hat den Kopf der Ratte mit ein paar Stichen auf den durchtrennten Menschenhals genäht, und zwar so, dass er auf der Luftröhre sitzt, aber nicht die durchtrennten Muskeln, die Wirbel und die Gefäße überdeckt. Prof. Jérôme Frost steht auf dem Namensschild an der Brusttasche des Kittels.
    Lejeune wendet den Blick ab, ignoriert das schwammige Gefühl in den Knien. In den dunklen Lachen aus getrocknetem Blut liegen geöffnete Käfige. Sie sind leer, genauso wie die Käfige am hinteren Ende des Raums. Sie sucht den Kopf. Den Kopf von Professor Frost, irgendwo muss er sein. Ein Räuspern lässt sie herumfahren. Der Iraker steht immer noch da, sie hat ihn völlig vergessen.
    »So haben Sie ihn gefunden?«, fragt Lejeune ihn mit betont fester Stimme. Sie hat was gegen Iraker. Und gegen Farbige und gegen Asiaten und gegen arrogante Weiße und gegen Jugendliche und Ungebildete … Sie hätte längst ihren Job aufgeben sollen. Er hat sie zum Menschenhasser gemacht.
    »Ja. Das ist Professor Frost.« Unbeeindruckt betrachten seine dunklen Augen unter den buschigen grauen Augenbrauen die grausige Inszenierung.
    »Was macht Sie so sicher?«
    Jetzt erst sieht er Lejeune an. »Er hat gern in der Nacht gearbeitet, wir haben hin und wieder ein paar Worte gewechselt. Er war ein sehr ruhiger und belesener Mann.«
    Lejeune ist beeindruckt vom präzisen Französisch des Irakers, dessen Namen sie sich nicht hat merken können. Der Mann zeigt zu den Händen der Leiche. »Seine langen Finger und der goldene Siegelring sind mir immer aufgefallen.« Er nickt, um seine Aussage zu bestätigen. Irène Lejeune betrachtet beides. Der Ring scheint fest zu sitzen, und die Hände sind tatsächlich außergewöhnlich schmal und schlank, genauso wie der ganze Körper.
    »Danke erst mal, wenn wir weitere Fragen haben, wenden wir uns an Sie.«
    Er lächelt und deutet eine knappe Verbeugung an.
    »Ach«, fragt sie noch, »welchen Beruf hatten Sie eigentlich, ich meine, früher?«
    Sein Lächeln verschwindet augenblicklich. »Ingenieur.« Er dreht sich um und geht. Mein Gott, denkt sie, ich an seiner Stelle würde dieses Land und diese Gesellschaft hassen, die mich nicht zu würdigen weiß.
    Maurice tritt neben sie und richtet seinen Fotoapparat auf die Schrankwand neben der Leiche. In grüner Leuchtfarbe ist da aufgesprüht:

    Schöne neue Welt der Genforscher

    »Das wird die Ökos ganz schön Stimmen kosten«, bemerkt Lejeune trocken. Sie weiß, dass der Kommentar völlig daneben ist, aber er hilft ihr irgendwie, die Übelkeit lässt nach. Ökoterrorismus, das hat mir gerade noch gefehlt! Da schalten sich die von oben ein.
    Paul dreht sich zu ihr um. Er hält einen Temperaturmesser in der Hand. »Ich weiß schon, warum ich die nie gewählt habe«, murmelt er.
    Maurice lacht auf, verstummt aber sofort. David ist erschrocken zusammengefahren, er sieht Hilfe suchend zu Lejeune.
    »Hat Professor Frost hier allein gearbeitet? David?« Lejeune lässt ihren Blick weiter durch den Raum wandern, keine Fotos, weder von Kindern noch von einer Frau. Nichts Persönliches.
    »Ganz sicher nicht. Alle Profs haben Assistenten«, sagt David mit brüchiger Stimme, er weiß das, war selbst an der Uni. Jura. Er geht in den Nebenraum. Lejeune folgt ihm und beobachtet, wie er mit behandschuhten Händen in einem Kalender blättert, der auf dem Schreibtisch liegt.
    »Hier steht ein Name. Nicolas Gombert«, sagt er. »Laut Kalender war er letzte Nacht hier.«
    »Sein Assistent?«
    »Könnte sein. Moment. Ich habe etwas über Professor Frost.« Er liest das Display seines Handys. »Er war neununddreißig, geboren in Lyon. Studium der Biologie und Medizin in Paris. Ist seit drei Jahren Dozent hier an der Université Pierre et Marie Curie. Beschäftigt sich mit«, er sieht auf und zuckt mit den Schultern, »Antibiotika- und Lebensmittelverträglichkeit.«
    »Keine Genforschung?«, vergewissert sich Lejeune.
    »Na ja, das eine muss das andere nicht ausschließen.«
    Lejeune erspart sich eine Frage, das muss anders geklärt werden. Sie hat von diesen Dingen keine Ahnung. Sie weiß nur, dass Antibiotika Bakterien abtöten, keine Viren, das hat ihr der Arzt im November erklärt, als die Kinder die Grippe nicht mehr wegbekamen und sie auf
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