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Die Saat - Ray, F: Saat

Die Saat - Ray, F: Saat

Titel: Die Saat - Ray, F: Saat
Autoren: Fran Ray
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Das diffuse Licht lässt das Weiß des Schnees matter werden. Für einen Moment schöpft Ethan Hoffnung. Sind das nicht die Kufenspuren vom Hinweg? Oder täuscht er sich? Hat er sich verirrt in der lebensfeindlichen weißen Eiswelt? Linksvon ihm ragen eisbedeckte Bergspitzen auf, rechts, hinter schroffen Eisschollen, glitzert die schwarzblaue arktische See.
    Er fährt einfach geradeaus, hinein in die Weite.
    Habe ich mir das nicht gewünscht? Frei sein im Kopf. Um denken, um leben, um lieben zu können? Das Röhren des Schneemobils hört er nicht mehr. Vielleicht weil der Sprit ausgegangen ist. Vielleicht fahre ich schon gar nicht mehr, und alles ist Einbildung?
    Orchideen fallen ihm ein. Violette, tiefblaue, rosa, pinkfarbene, gelbe, weiße … Sylvie hat Orchideen geliebt, vor allem lithophytische, die auf Steinen wachsen, und epiphytische, die auf Bäumen oder anderen Pflanzen wachsen. Ihre Unterschiedlichkeit rührt daher, dass sich die Arten auf verschiedenen evolutionären Entwicklungsstufen befinden, hat sie ihm erklärt. Vielleicht ist es bei Menschen ähnlich? Was wissen wir schon über uns? Merkwürdig, Sylvie ist ihm jetzt näher als während der letzten Monate vor ihrem Tod.
    Werden wir irgendwann wiedergeboren? Wohin geht unsere Seele? Werden wir uns wiedertreffen, irgendwo, Sylvie? Gibt es wirklich weder Raum noch Zeit? Sind wir gleichzeitig überall?
    Die Kälte spürt er nicht mehr. Noch nie hat er sich so glücklich gefühlt. So zufrieden. Alles ist gut so, wie es ist. Das Weiß um ihn herum ist vollkommen. Ist es das Mondlicht, das die Eisberge so majestätisch glitzern lässt? Vollkommene Schönheit. Vollkommene Stille. Er hätte mit Sylvie hierherfahren sollen. Er lacht. Nein, Sylvie ist ja bei ihm.
    – Sylvie, hörst du mich?
    – Ja, Ethan, ich hab auf dich gewartet. Wir hatten so wenig Zeit miteinander, wir waren … waren immer beschäftigt, nicht wahr?
    – Ja …
    – Es tut mir leid, dass ich dich in die Sache hineingezogen habe. Ich wollte den letzten Wunsch meines Vaters erfüllen. Kannst du mir verzeihen?
    – Du wärst noch am Leben, wenn du dich mir anvertraut hättest.
    – Vielleicht. Vielleicht wäre ich aber auch bei einem dummen Unfall gestorben, und du wärst mir nie so nah gewesen – wie jetzt.
    – Dann ist es gut so, wie es ist?
    – Ja. Alles hat seinen Sinn.
    – Und der Tod deiner Mutter, und der Tod von Camille?
    – Du trägst keine Schuld.
    – Und was passiert mit der Erde, mit den Menschen? Ich wollte sie nicht retten.
    – Es war nicht deine Aufgabe, Ethan, in diesem Leben die Welt und die Menschen zu retten.
    – Und was war meine Aufgabe?
    – Zu lieben.
    – Aber …
    – Doch …
    Über den blass gewordenen Himmel fliegt ein Karibu mit einem mächtigen Geweih. Seine Seele? Sylvie?

    Was ist es, das ihm plötzlich diesen wunderbaren Frieden entreißt? Die Lichter dort vor ihm? Das Röhren eines Motors? Der Anblick der aufragenden Antenne? Die Gestalten in roten Anoraks? Wetterstation Nunavut liest er auf dem immer größer werdenden Schild über der Baracke.
    »Mann, wo kommen Sie denn her?«, dringt eine Stimme zu ihm.
    Irgendwie schafft er es, den Motor abzustellen. »Von der Saatgutbank Noah’s Arch.«
    Der Blick des Mannes wird skeptisch. »Da hat es ein Attentat gegeben.«
    Hat er eben wirklich mit Sylvie gesprochen? Er fühlt sich befreit, Sylvie hat ihm vergeben. Eine Last ist von ihm genommen, und er spürt, wie seine Kraft zurückkommt.
    »Ich muss den Premierminister verständigen. Er muss ein Flugzeug stoppen!« Er steigt vom Schneemobil, taumelt, fängt sich wieder.
    Der Mann zögert.
    »Bitte, uns bleibt keine Zeit mehr«, die Worte drängen aus ihm hinaus, »wir müssen … die Welt retten …«

    ENDE

Danksagung
    Auch dieses Buch wäre ohne die Unterstützung so vieler engagierter Menschen nicht entstanden. Ich hoffe, niemanden zu vergessen, wenn doch, dann bitte entschuldigt, ihr seid auch gemeint.

    Erst mal ein großes Danke an meine Agentin Franka Zastrow von Michael Meller Literary Agency. Dein Zuspruch in schwierigen Zeiten hat mich immer wieder aufgerichtet und weitermachen lassen. Du hast einen tollen Job gemacht!
    Danke an meine Lektorin Gerke Haffner – du hast dich in das Thema reingekniet und nicht lockergelassen, die unangenehmen Fragen zu stellen, die nötig sind, wenn eine Geschichte nicht nur stimmen, sondern auch richtig gut sein soll.
    Dr. Lutz Steinhoff von der Agentur Scripta, Ihre Arbeit am Text war wieder großartig, Sie
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