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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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hatte die Augen halb geschlossen. »Der Mann hatte keine Armbrust«, gab er zurück. »Wenn er der Mörder wäre, hätten wir die Armbrust irgendwo finden müssen. Aber wir haben sie nicht gefunden.«
    Er richtete sich jetzt auf. »Ich habe mir die Spuren noch einmal genau angesehen. Auf den ersten Blick war da nur die Spur von Monreals Pferd und die Spur des Mörders, der kein Pferd hatte. Ich fand aber noch eine dritte Spur. Ich kann mich täuschen, aber womöglich war da noch jemand, ein Dritter, jemand, der mit Monreals Pferd verschwunden ist.«
    »Der Mörder«, warf Raupach ein, doch Cai schüttelte den Kopf.
    »Der Mörder trug leichtes Schuhwerk, keine Stiefel. Seine Spur führt in den Wald zurück, die Spur des Pferdes jedoch in die entgegengesetzte Richtung. Nun könnte der Mörder nach der Tat natürlich in den Wald gegangen sein, einen Bogen durch den Wald beschrieben haben und dann auf den Weg zurückgekehrt sein und das Pferd bestiegen haben. Aber ich sehe keinen Sinn darin.«
    Einer der Offiziere am Tisch nickte. »Ich habe die Spuren auch gesehen. Warum hat der Mörder nicht gleich das Pferd genommen? Spräche das nicht für einen Dritten?«
    »Der Mann im weißen Mantel«, murmelte Berthold. »Wenn der Mann im weißen Mantel nicht der Mörder war, dann war er vielleicht der Dritte.«
    Der Ire nickte. »Er trug weiche Stiefel. Die Abdrücke sind mit denen des Mörders fast identisch, aber es hat geregnet, und die Spuren sind fast verwischt.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen. Fett tropfte in die Glut, daß es zischte. Van Neil sah zu dem bratenden Stück Lende über dem Feuer herüber und leckte sich über die Lippen. »Monreals Bursche erzählte mir eine merkwürdige Geschichte über einen Brief, den Monreal gestern abend angeblich geschrieben haben soll. Er habe etwas von Bischof Gero gesagt, dem er diesen Brief übergeben wollte.«
    »Gero?« rief Raupach stirnrunzelnd. »Der hat Heinrich eine Menge Kirchenlehen verschafft.«
    »Ja«, lachte Berthold, »bis der Kaiser ihn des Amtes enthob, weil er dem bösen Vetter jeden Wunsch von den Augen ablas. Gero war ein Werkzeug des Herzogs. Aber was wollte Monreal bei ihm? Wieso schrieb er ihm einen Brief?«
    Sie rätselten noch eine Weile über den seltsamen Spuren, doch sie wußten, daß nichts so trügerisch ist, wie eine halb verwischte Spur, sahen einander mißtrauisch in die Augen und wußten, daß es genügend Menschen in der Burg gab, die Monreal auf dem Gewissen haben konnten. Sie selbst nicht ausgenommen. Mit Sicherheit unschuldig war nur, wer weder eine Armbrust besaß, noch mit einer umgehen konnte. Sie alle konnten es gewesen sein, die Herren wie die Soldaten und die Offiziere.
    Raupach stand auf und gab den Dienern ein Zeichen zum Auftragen des Fleisches. Sein Blick fiel auf einen leeren Stuhl. »Wo ist Maria?«
    »Ich werde sie holen«, sagte Berthold. Er stand auf und stieg die breite Holztreppe zu ihrer Kammer hinauf, öffnete die Tür und trat ein.
    Maria lag im Bett, die Stiefmutter stand neben ihr und hielt ihre Hand. »Sie hat Fieber«, flüsterte sie.
    Vor der Fensteröffnung, die mit schwerem Tuch verhangen war, stand Katharina, die sächsische Zofe der Herrin. Berthold trat an das Bett. Maria schlief, ihr Atem ging unruhig, die geschlossenen Augenlider zuckten leicht.
    »Sie war naß bis auf die Knochen«, sagte die Stiefmutter leise.
    Berthold nickte. »Ich hole den Arzt.«
    »Nein«, sagte die Stiefmutter schneidend, »nicht den Arzt. Der hat sie stundenlang im Regen stehenlassen. Der hätte dem Mann, der noch lebte, beinahe die Kehle durchgeschnitten. Vor Marias Augen. Der Mann ist ein Teufel.«
    Berthold schüttelte nur müde den Kopf. »Ihr wißt, wie es zugeht in der Welt, Ihr oder ich, etwas anderes gibt es nicht. Der Mann hätte nicht mehr lange gelebt, und niemand hätte ihn noch retten können.«
    Er verließ das Zimmer. Draußen lehnte er sich gegen das Geländer einer kleinen Empore und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ja, der Ire war ein Satan. Niemand wußte das besser als er. Er hatte genug Schlachten mit ihm geschlagen, damals, als er noch gesund war. Alessandria fiel ihm wieder ein. Die blutbesudelten Kleider des Iren, der Geruch des Todes, mit dem er sich umgab, als käme er geradewegs aus der Hölle.
    Aber für ihn gab es keine Hölle, sagte sich Berthold. Cai Tuam hatte wieder begonnen, seine gälischen Gebete aufzusagen. Diese gurrende Sprache der Heiden, der alten satanischen Priester, die
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