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Die Runenmeisterin

Die Runenmeisterin

Titel: Die Runenmeisterin
Autoren: Claudia Groß
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kräftigem Wuchs, der Ire etwas kleiner und agiler. Er hob sein Schwert und ließ es plötzlich niedersausen und zerfetzte den weißen Mantel in zwei Teile, die nun dem Fremden um die Ohren zu flattern begannen.
    Der fluchte und streifte sich den Mantel von den Schultern. Doch kaum hatte er die Hände wieder frei, als das Schwert des Iren seine Dolchspitze traf und der Dolch in einem Tuff Heidekraut landete. Maria bemerkte ein flüchtiges, stummes Lachen auf Cai Tuams Gesicht, während er jetzt seinen Gegner im Kreis herumjagte, der wehrlos und panisch nach seiner Waffe Ausschau hielt.
    Als er sie entdeckte, drehte er sich, sprang geduckt auf das Heidekraut zu und griff nach dem Dolch. Er richtete sich auf, ein kurzer Augenblick nur, wie der Flügelschlag eines Vogels, und schon stand der Ire wieder vor ihm, schwang sein Schwert hin und her, als wolle er den Regen damit teilen so wie den Mantel. Dann senkte er es und stach zu. Der andere taumelte zurück und brach zusammen. Blut spritzte auf den Boden, sein Wams rutschte zur Seite und gab eine klaffende Bauchwunde frei, aus der das Blut strömte. Der Ire bückte sich und zog sein Messer aus dem Gürtel. Er hatte Maria vergessen, die immer noch auf ihrem Pferd saß. Sie sah, wie Cais Hand mit dem Dolch zur Kehle des Verletzten zuckte, und schrie auf. Der Ire zögerte und blickte irritiert in ihre Richtung.
    »Reitet nach Hause«, rief er ihr zu.
    Doch sie sah auf den Mann am Boden. »Er lebt noch«, rief sie zurück, »wollt Ihr ihn umbringen?«
    Er warf seinem besiegten Gegner einen Blick zu, der jetzt zu stöhnen begann und das Gesicht in die Erde preßte. Maria starrte den Iren an.
    Dieser Mann hatte zwei Gesichter, zwei verschiedene Wesen in seinem Leib, die sich unmöglich miteinander vertragen konnten, die ewig miteinander im Krieg liegen mußten. Der Arzt und der Soldat. Der Mann, der diesem armen Teufel die Kehle aufgeschlitzt hätte, und der, der mit den sanften Händen einer Frau Kranke behandelte, ihnen Mut und Trost zusprach. War er ihr darum so unheimlich? Weil er wie ein Zwitter war, wie Janus zwei Gesichter hatte?
    Sie sah ihn auf sich zukommen. Er sprang hinter ihr aufs Pferd und lenkte die Stute zurück. Er sagte etwas, aber sie verstand ihn nicht, denn Sturm und Regen wurden stärker, und der Wind trug die Worte davon.
    Als sie den Burghof erreicht hatten, sah sie Berthold aus dem Haus kommen. Er hob sie vom Pferd und nahm sie in die Arme. Weiche, zärtliche Arme, und endlich konnte sie weinen.
    »Wo warst du?« weinte sie, während ihr die Stiefmutter einen warmen Mantel um die Schultern legte.
    »Ich bin eben erst zurückgekommen«, erwiderte er. Sie hob den Kopf und entzog sich seinen schützenden Armen.
    Drei Soldaten schickten sich an, den Verletzten zu holen. Maria hörte die Stimme des Iren, der sich verteidigte, und nickte, als man sie fragte, ob es Notwehr gewesen sei. Und als die Soldaten eine Stunde später wiederkamen, hoben sie den Weißbemantelten, dem sie seinen Mantel über den Oberkörper gelegt hatten, vom Pferd.
    Er war tot. Sie brachten ihn in einen der Ställe. Der Schreiner würde ihm einen Sarg zimmern, und der Priester würde ihn morgen früh auf dem Gottesacker begraben, denn er trug ein Kreuz um seinen Hals und war ein Christ gewesen.
    Sie saßen am Abend in der Halle bei Wein und Brot. Um die Mauern heulte der Sturm, und in der Kapelle las der Priester eine Messe für Monreals Seele. Die Stimmung war gedrückt. Das Fackeln des Lichts an den Wänden schien lange Zeit die einzige Bewegung im Raum. Niemand sprach, niemand aß.
    Wer brachte einen Offizier mitten in der Heide um? Gewiß, er hatte ein gutes Pferd und prall gefüllte Satteltaschen bei sich gehabt. Pferd und Satteltaschen waren jedenfalls verschwunden. Monreal war Sachse gewesen, Sachse auf einem von einem Franken geführten Anwesen. War es ein politisch motivierter Mord?
    »Und wenn es so wäre?« sagte Raupach plötzlich in die Stille hinein, denn er wußte, sie alle dachten das gleiche. »Monreal war einer von Heinrichs Leuten. Der Herzog hat ihn persönlich hierhergeschickt …«
    »Wir müssen den Herzog verständigen«, sagte Berthold, »und der wird uns einen seiner Vollstrecker auf den Hals schicken. Und wir müssen ihm auch den Tod des Fremden melden. Das wird seine Aufmerksamkeit auf uns ziehen.«
    Raupach nickte nachdenklich. Dann wandte er sich dem Iren zu. »Kann der Mann im weißen Mantel der Mörder sein?«
    Der Ire hing müde auf seinem Stuhl und
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