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Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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in der Ecke stand, schrie auf, aber sie hatte nur zwei Hände und zwei Handschuhe. Obwohl sie Shayst fahren ließ und nach Chityre griff, war sie nicht schnell genug. Das Gespenst kam mit weit geöffnetem, schnappendem Kiefer aus der Dunkelheit geschossen. Merrick brüllte auf – und diesmal nicht in ihrem Kopf –, aber sie sah nichts mehr, denn in diesem Moment fielen sie über sie her. Das Nest tauchte alles in Schwarz, und Sorcha war plötzlich außerstande, einen Laut von sich zu geben. Sie griff sich an den Hals und würgte. All ihrer Ausbildung zum Trotz: Solche elementaren körperlichen Reaktionen ließen sich unmöglich unterdrücken.
    Während sie über den Boden rollte und sich ihrer Handschuhe nicht zu bedienen vermochte, um mehr Luft in die Lungen zu bekommen oder eine Rune zu beschwören, heulte ihr das Schreien der Verdammten in den Ohren. Es waren die Unlebenden, die sie zu sich riefen, und sie sehnte sich danach, zu gehen.
    Dann spürte sie am Rande der Ohnmacht Merrick. Er schlitterte über den Boden auf sie zu und warf sich mitten in die knurrenden, rachsüchtigen Geister hinein. Ein Sensibler sollte sich aus dem Getümmel heraushalten und in Sicherheit bleiben. Aber ihr Partner durchbrach den Schwarm und berührte sie mit beiden Händen. Ihre Verbindung loderte auf und war mit einem Mal stärker und wichtiger als alles, was sich im Schatten verbarg. Merrick war auf eine Art in ihrem Kopf und sie in seinem, wie es keine Verbindung zwischen Diakonen zulassen sollte.
    Doch Sorcha scherte sich nicht darum, denn das Nest wich vor dem Aufwallen ihrer Macht zurück. Sie konnte atmen. Keuchend und von Merrick umfasst, gab sie die Rune Pyet frei.
    Flammen erfüllten den Dachboden, ein reinigendes Feuer, das in den polierten Messingwaren der Mechaniki flackerte und tanzte. Die Gespenster klagten so laut, dass die Trommelfelle normaler Menschen zerrissen wären, und schrumpften dabei, während die Geistmacht, die sie gefangen hielt, verbrannte.
    Gemeinsam erwischten Sorcha und Merrick alle Gespenster – alle bis auf eins.
    »Wartet!«, rief ihr Partner, aber sie war bereits auf den Beinen und jagte dem fliehenden Geist nach. Er würde sich nicht herumdrücken und in die schwarze Umarmung der Anderwelt zurückschicken lassen. Er schoss wie der Blitz vor ihr davon, glitt zwischen den Kisten hindurch und steuerte die hintere Ziegelmauer an.
    »Sorcha!« Die Stimme ihres Partners folgte ihr, aber sie weigerte sich, ihn zur Kenntnis zu nehmen, solange sie das Gespenst verfolgte. Verdammt, nach Wochen der Untätigkeit hatte sie nicht die Absicht, auch nur einen Untoten entwischen zu lassen.
    Sie hob die Rechte, breitete ihre behandschuhten Finger aus und beschwor Voishem. Die Luft ringsum bog sich und drang wirbelnd in den Raum zwischen den Dingen. Ziegel, Stein oder Holz konnten sie jetzt nicht mehr aufhalten.
    Dem Geist auf den Fersen, schlüpfte Sorcha durch die Mauer und in den angrenzenden Dachboden. Die Verbindung jedoch hielt, und sie teilte immer noch Merricks Sicht. Zum Glück war auch der Einfluss der verfluchten Wehrsteine schwächer, sobald sie durch die Wand war.
    Der zweite Dachboden war bis auf zwei Kisten am gegenüberliegenden Fenster vollkommen leer. Er war so verstaubt, dass Sorcha von tanzenden Schwebstoffen umgeben war, und für einen Moment verwirrte sie das flackernde Licht. Das Gespenst, das sie schon fast verschwunden geglaubt hatte, kauerte hinten im Schatten. Ihre Ausbildung als Diakonin sagte ihr, dass dieses Verhalten für diese Art Geist sehr merkwürdig war.
    Obwohl ihr Herz hämmerte, war dies das einzig verbliebene Problem von dem ganzen bösartigen Nest. Sie hatte keine Angst davor. Trotzdem hielt sie ihre Handschuhe erhoben, als sie sich der verhüllten Gestalt näherte. Zwei Schritte vor dem Gespenst blieb sie stehen und wartete. Es war lange her, seit sie versucht hatte, mit einem Geist zu kommunizieren – für gewöhnlich der Fehler frischgebackener Diakone –, aber nun öffnete sie den Mund und fragte, was ihr als Erstes einfiel. »Warum bist du hier?«
    Langsam drehte das Gespenst sich zu ihr um, wie ein Zirkusdirektor, der die letzte Nummer seiner Vorstellung ankündigt. Trotz all ihrer Macht und Ausbildung schluckte Sorcha vernehmlich.
    Im fahlen Licht des Dachbodens flackerte der durchsichtige Schädel in einem grauen Leichentuch, eine Erinnerung an das Schicksal jedes Menschen. Plötzlich betrachtete Sorcha dieses Wesen nicht länger als einen einfachen, einzelnen
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