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Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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normalen Menschen in den Wahnsinn getrieben, aber ein Diakon wurde speziell dazu ausgebildet, sich im Angesicht der Untoten nicht zu beugen. Sorcha stand mit gespreizten Händen vor ihm und lenkte den Zorn der Anderwelt auf das Gespenst.
    Doch es zerfiel nicht, sondern zog sich in die Länge. Es kam immer noch auf Sorcha zu, gereckt und wirbelnd, die weißen Fingerknochen nach ihr ausgestreckt. Die Anderwelt übte jedoch weiter ihren Sog aus, und der rachsüchtige Geist hatte nichts, was ihn in der menschlichen Welt hielt. Das Gespenst wehrte sich, es kämpfte, doch dann wurde es von der schrecklichen Leere verschluckt.
    Sorcha schloss die Faust um Tryrei, und der Spalt war versiegelt. So plötzlich, wie er gekommen war, erstarb der schreckliche, wütende Lärm. Die beiden Diakone standen in dem stillen Lagerhaus und sahen einander an. Sie waren nicht einmal außer Atem.
    »Nynnia war hier.« Sorcha holte tief Luft. »Sie hat dieses letzte Gespenst benutzt, um uns eine Nachricht zu schicken.«
    Ihr Partner musterte sie kurz mit seinen dunkelbraunen Augen. Die Verbindung zwischen ihnen war stärker als die jedes normalen Paars von Diakonen; darum zweifelte sie nicht daran, dass Merrick einiges von ihrer Wahrnehmung geteilt hatte.
    Vorsichtig zog Sorcha die Handschuhe aus, faltete sie zusammen und holte die Reste ihre Zigarre hervor. Das einzige Fenster auf dem Dachboden des Lagerhauses bot einen Blick auf das Kaufmannsquartier und den Kaiserpalast.
    Merrick trat neben sie. Er hatte sich mittlerweile an ihr Rauchen und ihre Phasen des Schweigens gewöhnt. Für einen jungen Mann war er sehr gut darin, still zu sein. Er war sich der Gefühle seiner Partnerin für den Jungen Prätendenten deutlich bewusst, aber auch der Verbindung zwischen sich und ihr. Selbst in den besten Zeiten war kein Diakon sein eigener Herr. Und dies waren nicht die besten Zeiten, denn Erzabt Rictun ließ sie genau beobachten. Er würde es ihnen niemals erlauben, Vermillion zu verlassen.
    Sorcha sog den Rauch ein, behielt ihn für einen Moment gedankenverloren im Mund und blies ihn dann Richtung Fenster aus. Sie versuchte, sich der Situation logisch zu nähern, doch jedes Mal sah sie Raeds letzten Atemzug. »Er ist noch nicht tot«, sagte sie ruhig, »sonst hätten wir es gespürt.« Ein Versuch, die Bestie im Innern des Jungen Prätendenten zu beherrschen, hatte außerdem dazu geführt, dass die beiden Diakone jetzt an den Flüchtling gebunden waren – eine dreifache Verbindung.
    »Es könnte eine Falle sein«, erwiderte Merrick leise und zog seinen Umhang fester um sich.
    »Ja.« Sie blies einen Rauchring. »Gut möglich. Und doch …«
    »… haben wir anscheinend Verbündete in der Anderwelt.« Ihr Partner sah auf und wandte den Blick dann ab. Nynnia war zweifellos mehr gewesen als ein Mensch, doch keiner von ihnen hatte erwartet, nach ihrem Tod von ihr zu hören.
    Sorcha betrachtete die glühende Spitze ihrer Zigarre. »Aber wir kennen ihre wahre Natur nicht. Etwas gewagt, unsere Zukunft davon abhängig zu machen, meint Ihr nicht?«
    »Raed ist unser Freund … mehr als das.« Merricks Verstand zog an ihrer Verbindung, wie ein Junge an einem Zaundraht zieht, um dessen Stärke zu prüfen. Und tatsächlich ergab sich zwischen dieser Verbindung und dem Jungen Prätendenten eine Art fernes Flüstern.
    Sorcha hatte die Verbindung in aller Eile gestiftet, aber keiner von ihnen hatte sie durchtrennen können. Wortlos tasteten beide Diakone nach dem Jungen Prätendenten und suchten nach der Beziehung, die sie die letzten drei Monate geleugnet hatten. Er war irgendwo dort draußen – das konnten sie erkennen –, aber zu weit entfernt, als dass sie sonst viel hätten spüren können.
    »Ich habe gesehen, wie sie ihn töten, Merrick.« Sorcha drehte sich zu ihrem Partner um, und ihre blauen Augen glänzten im Halbdunkel. »Wir dürfen das nicht zulassen – selbst wenn es eine Falle ist.«
    Er seufzte und schaute zur Decke empor, als suchte er nach Antworten eines gleichgültigen kleinen Gottes. Aber als er sie dann anblickte, umspielte ein schiefes Lächeln seine Lippen. »Nein, Ihr habt recht, das dürfen wir nicht. Es wird nur schwierig werden, den Erzabt dazu zu bewegen, uns gehen zu lassen.«
    Mit heiterer Miene klopfte Sorcha das Ende ihrer Zigarre ab, um sie für eine andere Gelegenheit aufzusparen. »Wir haben lange genug nach Rictuns Regeln gespielt. Es macht keinen Spaß mehr.« Ihr Partner reagierte mit einem etwas nervösen Lachen,
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