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Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)

Titel: Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
Autoren: Philippa Ballantine
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Geist. Es war Teil der großen Leere, die auf sie alle wartete: der Anderwelt. Sie hatte in der vergangenen Saison für eine Weile dort getanzt – aber ihre Erinnerung an jene Zeit war verblasst. Als der Geist sich nun zu ihr umwandte, kehrten kurze Bilder davon zurück. In diesem Moment hätte Sorcha liebend gern eine Zigarre geraucht – um sich ins Gedächtnis zu rufen, dass sie noch unter den Lebenden weilte.
    Mit halb erhobenen Handschuhen neigte sie den Kopf zur Seite und wartete darauf, eine Rune zu entzünden und die Erscheinung in die Anderwelt zurückzuschicken. Das Gespenst äffte ihre Geste nach und öffnete dann knarrend seinen knochenweißen Kiefer.
    »Sorcha!« Die Stimme klang auf dem stillen Dachboden des Lagerhauses wie das langgezogene, verzweifelte Röcheln eines Sterbenden. Die Diakonin hätte nicht überraschter sein können, wenn der Geist zu singen und zu tanzen begonnen hätte.
    »Sorcha?« Merricks Stimme kam von unten wie ein unheimliches Echo. Sie hörte die Stiefel ihres Partners auf der Treppe und war beruhigt, dass er gleich eintreffen würde.
    »Sorcha«, wiederholte der Geist, hob eine schimmernde Hand und streckte sie nach ihr aus. »Ihr müsst ihn retten, Sorcha.«
    In vielen Religionen hieß es, für eine Bindung sei die dreifache Wiederholung eines Namens nötig. Als Diakonin glaubte sie nicht an solchen Unsinn, aber seltsamerweise überlief sie doch ein Frösteln. Sie erstickte die Rune, die sie hatte beschwören wollen, denn sie ahnte, wen die Erscheinung meinte, und musste es jetzt sicher wissen.
    Sorcha blieb stocksteif stehen, als das Gespenst ihr Gesicht berührte. Sie ließ es gewähren, was gegen ihre gesamte Ausbildung verstieß. Jenseits von Zeit und Realität barg die Anderwelt ein Wissen, das kein Mensch jemals besitzen konnte. Daher waren die größten Diakone des Ordens oft Risiken eingegangen, um sich von der Leere zu nehmen, was sie kriegen konnten. Dies war ihr Moment.
    Langsam sanken ihre Lider, schwer von der Kälte des Untoten. Als Sorcha am Rande des Todes zitterte, empfing sie seine Vision.
    Raed Syndar Rossin, der Junge Thronprätendent, der Flüchtling und der Mann, an den sie unablässig dachte, seit sie ihm begegnet war. Sorcha konnte ihn sehen, als schaute sie durch Wasser: als wäre sie unten und er oben.
    Ein Mädchen, das sie nicht genau erkennen konnte, schrie, während Männer sie forttrugen – dann wandelte ihr Gesicht sich zu einem furchteinflößenden Feixen. Raed war da und versuchte, sie zu retten, doch dunkle Hände packten ihn. Unter einem rotierenden Sternenkreis in eine Falle gelockt, wurden er und die Bestie in seinem Inneren von einer Kreatur aus schnappendem, knurrendem Gold und Scharlachrot verschlungen. Es war schrecklich, furchtbar, und während Sorcha das Geschehen beobachtete, war sie sich sicher, dass es noch nicht passiert war. Doch es würde eintreten – dies war Raeds Schicksal.
    Ein Gefühl des Friedens überkam sie, und für einen Moment klang die Stimme des Gespensts vertraut, klang hell und weiblich und nach einem Geschöpf, das sein Leben für sie alle gegeben hatte. Nynnia, das Wesen aus der Anderwelt, flüsterte in den Geist der Diakonin. Die Worte kamen aus weiter Ferne, aber Sorcha fing einige auf: »Engel«, »Sohn«, »Falle« und »Sterne«.
    Die Diakonin lauschte angestrengt, um den Rest zu hören, doch in diesem Augenblick rief Merrick ihren Namen mit größerem Nachdruck. Er stand inzwischen auf der obersten Treppenstufe. Ihre Konzentration war dahin, und Nynnias Stimme verklang in der stillen Luft.
    Merricks Schreie hatten einen Grund. Sorcha schüttelte den Kopf und sah auf. Der verhüllte Totenschädel neigte sich nun vor, und seine Augen fingen Feuer. Ein eisiger Windstoß schlug ihr ins Gesicht und stieß sie einen Schritt zurück.
    Der brennende Schädel unter dem Kapuzenumhang knurrte, und seine Zähne schnappten zu, als er seine Hand nach ihr ausstreckte. Sorcha wirbelte fort und beschwor Yevah aus ihrem Handschuh. Der Schild aus Feuer sprang zwischen sie und das Gespenst und verschaffte ihr eine Atempause.
    Sie hob ihre Handschuhe und rief als Nächstes die Rune Tryrei. Wenn sie ein winziges Nadelloch zur Anderwelt öffnete, würde dies dem Geist die Macht entziehen und ihn dorthin zurückschicken, wo er hingehörte.
    Es schmerzte, auch nur einen winzigen Spalt dorthin zu öffnen. Das Geräusch der hungrigen Leere klang wie tausend flehende Schreie um Liebe, Freunde, Leben. Dieser Lärm hätte einen
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